BLANC DE BLANCS
Und dann waren da diese Sommernächte am Praça das Flores mit einer kalten Flasche Schaumwein, die man sich gerade noch leisten konnte, wenn sie einer von deinen Freunden bezahlte oder einer von denen, die vorbeikamen und das werden wollten. Es lag dort immer irgendwas in der Luft, ich weiß nicht was, es kam von den Bäumen oder lag in den Brunnen und machte die Frauen verrückt und dich dann auch und du konntest dich bis zum Ende der Nacht nicht entscheiden und gingst besser alleine heim, weil es dir nichts mehr gab und du auch nicht mehr so reden konntest. Auf dem Heimweg kamst du an den Rosenverkäufern vorbei, die dir auch keine anboten und du kamst dir albern vor, weil du es gern gehabt hättest, wenn sie wenigstens gefragt hätten. So war es, als erwarteten sie nicht einmal, dass man welche brauchen könnte, weil mans mit niemandem mehr trieb, nicht mal mit sich, seit der Trennung und den Tagen in Rom und vielleicht gerade deshalb anfing, sich selber zu lieben, egal ob es andere taten oder nicht. Nachdem man miteinander fertig war, war alles immer nur schlimmer und die eine fehlte dir dann mehr als alle anderen, obwohl es vielleicht gar keinen Grund dafür gab, außer der Einsamkeit, die von den Frauen ausging und ihren Szenen. Ich hatte versucht, die Einsamkeit zu töten, aber man kann die die Einsamkeit nicht töten, sondern macht sie nur schlimmer, außer mit Frauen, die Szenen machen, durch die man die Einsamkeit dann wieder zu schätzen weiß. Ich habe nichts gegen Szenen, aber sie lohnen sich nur solange man nicht ganz unglücklich ist. Das ist wie Fächern gegen die Hitze. Ab einem gewissen Grad wischt man sich den Schweiß auch nicht ab mehr, sondern sitzt mit geschlossenen Augen an die Mauer gelehnt, die Beine von sich gestreckt, klitschnass und resigniert. Es ist nur dann schlimm, solang man sich dagegen wehrt und es ist dann zwar alles noch ein Unglück, aber es ist nur ein Unglück, bis nichts mehr um einen besteht, weil es nichts mehr gibt, mit dem man es in Vergleich setzen könnte. Die Erschöpfung beginnt. Der Aufstieg. Zur Sonne Ikarus, zur Sonne. Im Morgengrauen, wenn in den Schlafzimmern der Stadt die ersten enttäuschten Leiber voneinander lassen, kam man über den Rossio, an all den toten Träumern vorbei, die in den Schlangen der Fastfood-Restaurants standen, weil sie sie nichts zum Vergessen gefunden hatten und den Trieb der Nacht am Ende mit einem anderen stillen konnten. Der junge Tag haucht seinen Atem vom Land durch die Straßen der Stadt und es war noch Weite darin, Flüsse, Kühle, Hoffen und Land. Ein Versprechen, dass so ein Morgen nur selten über den Tag halten kann. Immerhin hattest du dich, für den nächsten Tag, mit einer Deutschen zum Schwimmen verabredet, die aber nie kam, weil man sich auf Verabredungen, ohne Telefonnummer, überhaupt gar nicht mehr verlassen kann. Aber so hattest du wenigstens die Freude und die Hoffnung auf den nächsten Tag und dann den Ozean, für dich. Du hattest dich an niemanden verschwendet und geschlafen und gehoffen und nichts anderes erwartete, aber Wissen ist nie das selbe, wie nichts anderes Erwarten. So fährt man eben wieder alleine zum Strand, ohne Geld und Arbeit, ohne bei vierzig Grad auf Aktualisieren zu klicken, ohne die ganzen schwanzlosen Verleger, Zeitungen und Sommerferien, in denen jetzt sowieso alle sind, die von den Zeitungen und alle Freunde, die sagten, dass jetzt ein für alle Mal Sommer ist, auch für mich und es überhaupt gar keinen interessiert, was ich da schrieb. Sie hatten ja Recht, aber sie hatten leicht reden, sie hatten Geld und Ferien und fuhren Mercedes und konnten sich ihr Mittag leisten, ohne schlechtes Gewissen. Sie hatten aber trotzdem Recht, es war Sommer, es musste jetzt Sommer sein, ein für alle Mal und es war eh alles fertig, aus und vorbei, für den Moment. Tief in dir drin, gleich neben dem schlechten Gewissen, war ein anderes, starkes, auf dich zukommendes Gefühl, als ob gleich irgendwas passiert, man sich stößt oder weg fährt oder realisiert, dass etwas wiedergefunden wurde, dass nie verloren gegangen ist und man endlich vergessen hat, was das ist. Vielleicht war das der Glaube an ein Wunder […]