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BYND

Konstantin Arnold

HIERZULANDE I

HIERZULANDE

Also ich räum’ schon auf, bring den Müll runter, gieß Blumen, gebe ihr mehr Platz im Koffer und frage nur, ob es okay wäre, dass sie mir zu liebe schon mal ihren Hosenanzug zusammensucht, sodass ich meine Anzugtasche schließen kann, immer hin bin ich deutsch und fliege gleich um die halbe Welt und will vorher noch mit Freunden was essen, aber sie winkt nur ab, geht uns sagt im Gehen: dann packe sie ihre Sachen halt selbst. Es kotzt mich an, aber ich will jetzt nicht wieder damit anfangen, kanns ja selber nicht mehr hören, jeder Einstieg ist gleich. Soll sie die Hölle haben. Unsere Freunde wundern sich nicht, dass wir einzeln und zeitversetzt zum Essen kommen. Das sollte zu denken geben. Manche, die uns noch nicht so kennen, fragen was wir da in Jordanien machen und ich sage, das gleiche wie immer und überall, versuchen glücklich zu sein. Es ist schön vorher noch Zeit zum Essen zu haben, aber fürchterlich so zu fliegen. Der Rotwein will einen danach ganz fest in den Gassen halten und der letzte Ort auf der Welt, an den man will ist ein Flugzeug. Man wird langsam wieder nüchtern und wird sich bewusst, wie viel Zeug man noch zwischen den Zähnen hängen hat. Der Mund ist schal und der Weg noch weit und die Klimaanlage bläst, bis man krank ist. Sie bläst und bläst und bläst, obwohl man die Stewardess schon drei Mal gefragt hat. Wie ich Fliegen hasse. Völlig verprügelt kommen wir morgens in Athen an. Zwischenstopp, vierzehn Stunden. Man stellt sich das so schön vor, wie Dinner mit einer fremden Frau, aber alles was man will, ist unter der Brücke schlafen, am Strand, in einem Gründerzeithotel mit Blick aufs Meer, im Schatten zwei tausend Jahre alter Olivenbäume. Deshalb nahm ich meine Kamera nicht mit. Wer hätten wissen können, dass Athen so schön wird und schon zu der Geschichte gehört, aber diese Griechen gehören irgendwie immer zu jeder Geschichte. Wir gingen erst mal Frühstücken in einem fürchterlichen Laden, in den Leute gehen, um zu frühstücken und stiegen dann den Hügel gegenüber der Akropolis hoch, um der Antike unsere Aufwartung zu machen. Er ist nicht nur gegenüber, er ist das komplette Gegenteil davon, leise und leer, grün und schön, ein antikes Jetzt. Links sieht man wie das weiße Häusermeer an die braunen Hügel brandet und rechts wies sichs in die Ferne wellt bis zum Meer, unten in Piräus. Ich stand eine ganze Weile davor auf dem Fels, so wie wie Casper David Friedrich. Der Anblick schüttelte mich wach. Athen, die ganze Welt von hier ausgesehen, wie ein zehn Millionen Einwohner großes Bergdorf, im Angesicht meiner wachtraumartigen Gewalt. Ich überlegte, mich einen Moment wie ein Hund ins grüne Gras, unter den blauen Himmel vors Häusermeer, zu legen, den säulenfarbigen Sandstein in der Sonne, schöne Farben, die nur die Zeit den Dingen gibt. Aber dann hören wir von irgendwo meinen Namen und ich habe in Athen noch nie meinen Namen gehört, obwohl der gut passt. Ich war vorher nur einmal hier, aber die Frauen gefielen mir nicht und jetzt mussten sie mir nicht gefallen. Es sind tatsächlich zwei Freunde, also ein befreundetes Paar. Eigentlich sind wir mehr mit ihm befreundet, aber so ist das manchmal. Sie leben seit einiger Zeit in Athen, nachdem sie schon versucht haben in Istanbul, Tunis, Beirut und Kairo zu leben. Athen gefiele ihnen aber am Besten. Der Ort wäre sinnbildlich für lange Sommer, Familienzusammenkünfte unter freiem Himmel und Tage am Strand. GST, Greek Summer Time nannte sie das und lachte bevor wir das auch konnten. Sie benutzte auch Worte wie Kolokithokeftedes oder Horiatiki, so als ob die normal wären. Ich konnte Abkürzungen für Ortsbezeichnungen, Spitznamen im Rahmen ihrer Postleitzahl begrenzten Möglichkeiten nicht ausstehen. Sie sagt, das wäre nur was zu essen. Wir lunchten in einem schönen Keller, nicht weit vom Markt. Es war ein sehr gutes Lokal, dass man über eine Luke im Boden erreichte. Ein paar Stufen führten hinab. Staub und Licht und Markt kamen auch rein. Im Licht konnte man den Staub sehen, der sich vielleicht durch das Geschrei des Marktes bewegte. Es gab keine Speisekarte, aber Kichererbsen, Kraut, Bohnen, kleine Fische, die direkt auf den Tisch gestellt wurden und Weißwein, der aus Fässern kam. Nach dem Mittag gingen wir über den Markt und soffen uns durch die Stadt. Wir schauen uns eine Herkules-Statue in einem Park an, aber nur weil daneben eine Weinbar war. Es wurde ein schöner, schwereloser Tag im Transit, wie im Traum. Ich wusste nicht, ob ich mehr müde war oder betrunken oder beides. Schlafe oder nur Träume davon zu schlafen. Abends aßen wir Lamm unter Mandelbäumen und die Geschichte mit dem Flugzeug wiederholt sich. Diese Griechen hatten die Bestuhlung ihres Lokals einfach nach draußen unter die Bäume auf das Pflaster gestellt. Auf antiken Mauern spiegelten sich die zeitlosen Schatten unserer Essenszene. Dann wieder Flughafen, aber wenigstens hatte der in Athen gute Musik. Die Stewardess waren sehr nett, schön und groß und adrett. Eine hatte sogar Zahnseide. Wir waren nun 48 Stunden wach und wieder betrunken. Normalerweise würde wir das vor einer so langen Reise nicht tun, aber wir flogen in ein arabisches Land, in dem es keinen Wein gab oder teuer, was das gleiche ist […]