FIASKO AUF DEM LAND
Jenen Winter verbrachten wir auf der Quinta einer Winzerfamilie im Norden des Landes. Zu ihrem Weingut führte eine staubige Straße und auch andere staubige Straßen, die man aber nur gehen konnte, weil das Gras in der Mitte zu hoch stand. Die Straße, die man fahren konnte, wurde von Olivenbäumen gesäumt und fiel zum Hof hin ab, wie eine Schanze, dahinter kam der Wein und dann Wald, dessen Bäume den Blick zum Horizont versperrten. Der Weinberg war kahl und vorbereitet. Im Süden konnte man die Bergkette der Serra de Estrela sehen und am Abend, wenn sich die Konturen hinter der Adega besser zeigten, bis zur Serra do Buçaco, glaubten wir jedenfalls. Die Landschaft schwang sich dahin wie die See, Reben und Hügelmeer. Das Grün hatte viele Farben, die Birken und Kirschen waren weiß. Am schönsten war der Hof am Abend, wenn das Licht am Himmel Orange war und dann Lila in der Ferne mit den blauen Bergen, die immer blasser wurden. Das Licht der Dörfer ging dann an und man sah in der Dunkelheit, wo noch überall Dörfer sind und Straßen und hatte eine ganz gute Metapher, für die Wege, die unsere Gedanken manchmal nahmen. Manche Straßen endeten in Sackgassen, andere waren dicht befahren, machten Umwege oder wurden gerade gebaut, um den Rest der Dunkelheit zu erkunden. Manche Straßen und Häuser konnte man kaum von den Sternen unterscheiden, der Himmel ging bei Nacht in die Erde über. Am Morgen war die Welt dann kalt und klar und neuer Rauch stieg auf vom Kamin, der so sorglos in der Kälte roch, wie sonst nur Toast und Kaffee und das Duschen von jemandem, der schon lange wach gewesen ist. Heute kann ich sagen, wir mussten einfach aufs Land. Nur das Land und der Wein auf dem Land konnten uns noch helfen. Man muss ihn auf dem Land trinken, es bringt nichts den Wein vom Land in der Stadt zu trinken und auf dem Land mit dem Stadtleben weiterzumachen. Den langen Nächten, den kurzen Tagen, den Weinpreisen verdammt. Irgendwie ist Wein das fehlende Stück einer Seele. Der Wein mehr als das Land, das mag sein, aber was wäre der Wein ohne das Land und umgekehrt. Ich weiß heute, dass wir einfach irgendwo hin mussten, wohin war egal, nur dass es irgendwo war, und nicht in der Stadt, war wichtig. Die Weinbauern im Norden hatten mir in den letzten Jahren schon oft aus der Scheiße geholfen, indem sie mich in richtige Scheiße stellten. Das half mehr, als Bilder von Munch und Gedichte von anderen Beziehungskrüppeln. Das half mehr, als die Straßen der Stadt, in denen man sich früher immer gerne verlor, um wieder zu sich zu finden. Da waren Orte, die wir kannten und Orte, die wir nicht kannte und Orte, an denen wir mit anderen waren, aber nie so wie wir. Daheim in der Fremde und all den anderen Daheims, die für die andere Fremden sind. Ich bin auch schon an dem Orte gewesen, an den wir wollten, nur damals schien mir der Nebel morgens über dem Fluss mit den Booten drauf, keine Geschichte wert. Die Farben zu braun, zu blass. Diesmal war es anders. Wir warten an der Bahnstation irgendeines Dorfes, dessen Namen wir nicht kannten, auf den Bus und ich genoss das Gefühl zwischen den Orten mit ihr an einer Bahnstation zu sein. Auf den Gleisen lag Moos. Manchmal fuhr ein Auto vor, das wie ein Schiff im Hafen anhielt. Sie kam aus einem kleinen Geschäft und hatte Würste mit Gluten und Bier dabei. Die Mittelklasseträumen von Männern mit Hautpflegegewohnheiten, die in der Stadt über ihre Gefühle reden und auf die Ernährung achten, waren nun weit. Die damit verbunden Neurosen auch. Nicht weit von uns stand eine […]