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BYND

Konstantin Arnold

FANAL

FANAL

Keine Ahnung, was los ist. Ich versuche schon seit einer Weile kein guter Mensch zu sein und finde das schwieriger, als sonst irgendetwas, außer vielleicht zu verstehen, wo die eigene Interpretation der Dinge endet und sehr wohl der Vorwurf des anderen beginnt; oder zu wissen wie etwas ist, bevor es sich ändert, oder selber zu entscheiden, was richtig ist und was falsch, oder wirklich zu denken und zu fühlen, was man fühlt und denkt und nicht, was man denken und fühlen sollte, weil man nicht schlecht genug ist. Anstand wäre doch zu sagen, ich habe geweint, weil ich dich liebe, aber das ist meine Sache. Es geht dich nichts an. Du sollst kommen und gehen, wann du willst. Wenn du kommst, will ich mich freuen und wenn du gehst, nicht traurig sein, selbst wenn ich lüge. Wir sitzen im Park auf einer Bank, nicht weit von Estefania. Ein Stück Grün, das man auf Alltagswegen passiert. Wir haben hier schon groß Schlachten geschlagen und Fragen auf die großen Antworten der Liebe gesucht. Gefühle sind kompliziert. Man hat sie schon, man muss nicht noch drüberschreiben. Drüber schweigen. Alle wichtigen Augenblicke bedürfen der Sprache nicht. Ich wünschte ich könnte das glauben und warten, wie alle warten, ein bisschen auf den Bus und ein bisschen auf den Tod, darauf, dass einem schon wer das Warten versüßt und alles von alleine passiert, ohne, dass man es selbst passieren lassen muss. Was ist das Leben mehr als eine große Abschweifung, aber Schreiben und Lieben nicht, denn auf irgendeine Art beweist es irgendwas, ein Gefühl von Leben und ein Gefühl von Tod, Sterblichkeit und Unsterblichkeit, eine Atempause, einen Augenblick lang damit fertig, obwohl man noch lebt. Ein Beweis fühlt sich nie so an, wie das, was er beweist. Sie gibt mir einen Kuss und der Kuss kann sich nicht immer anfühlen, wie nach einem langen Gespräch im Park oder wenn man sehr geil ist oder sich gerade aus einem brennenden Frack befreit hat, weil er sich manchmal eben anfühlt, als hätte man das Gespräch zu Hause geführt, ohne Wein und das irgendwas gebrannt hat und man sich eine Weile nicht sieht. Man erwartet von einem Gefühl, dass es so oder so ist und nur weil es nicht so ist, ist es nicht schlecht. Tiefen Gefühlen kommen viele andere komplizierte Gefühle in die Quere, Schwerkraft der Werte. So ist das nun mal. Manche Leute sind vielleicht so sehr etwas, dass sie es gar nicht mehr tun brauchen. Aber ohne mich und das würde ich wahrscheinlich gar nie drüberschreiben, weil die Tendenz besteht, dass man, wenn man zu lange wartet und anfängt, etwas von einer Sache zu verstehen, überhaupt nicht mehr schreiben will. Zu wissen wann und trotzdem nichts auf Morgen zu verschieben und darauf zu vertrauen, dass der Morgen kommt, an dem man sich liebt, ein Buch zur Hand nimmt, einen Satz schreibt, über diesen Platz geht, mit Bäumen auf beiden Seiten und dem Zeitungsladen an der Ecke, wo die Elektrische abbiegt und weiter zum Parlament fährt. Wo war ich? Egal, stimmt das Timing nicht, ist alles wie ein fauler Trick, ein überflüssiger Effekt, unangebracht, aufgesetzt, wirkungslos und so weiter. Man kommt sonst wo her, obwohl der Moment ein ganz anderer ist. An meiner Wand hängen tolle Zitate dazu: Eins von Horaz zum Thema wann man was sagt und eins von Remarque, der den Wert eines Mannes anhand der Geschichten festmacht, die er nicht geschrieben hat oder sie so geschrieben hat, dass er sie nicht nochmal schreiben muss. Zwischen beiden klebt ein Bild vom Piemont. Wollte ich schon immer mal hin. Werden wir jetzt auch. Auf dem Rückweg von Portofino. Sind erst zwei Tage am Cap Ferrat und fahren dann dorthin. Rückflug von Turin. Ob ich vorher noch auf ein paar Drinks rumkomme? […]

NEULICH BEIM WEINHÄNDLER

Neulich beim Weinhändler

Wenn man sich gerade an den Winter gewöhnt, das späte Licht, die kalte Luft, den Mantel, den Regen, wenn man gar nicht mehr daran denkt, dass es je anderes gewesen ist und nie wieder wird, kommt der Sommer plötzlich, wie eine Trennung. Die Tage, an denen Treppenstufen zu Plätzen wurden, weil dort etwas Sonne hinfiel sind vorbei, gezählt, gesessen. Es strahlt dann überall, und die Tage werden länger. Man weiß immer schon, dass etwas vorbei ist, bevor es so ist. Es ist ein feiner Staub, der sich über alles legt, wie die Reste eines Traums. Frühling! Drinnen nackt schlafen und draußen Jacke tragen. Wenn ich nach einem Streit dann so schön weltenverloren durch die Straßen gehe und viele Portugiesen um mich habe, die mich zu einem besseren Menschen machen und denke, sie ist der blödeste Mensch der Welt und auf Deutsch vor mich hinfluche und jemanden treffe, den ich kenne, denke ich das nicht mehr. Mir wird dann schnell klar, was ich habe und dass es nicht selbstverständlich ist, egal wie oft man es haben kann, und dass es mit anderen ganz und gar nie so ist. Sie haben ihre Ansichten und lachen über andere Witze und wollen lieber Bestelltes essen und nicht mehr durch die Straßen gehen, nachdem die Geschäfte schließen. Aber vor allem versuchen sie es und werfen einem ihre Blicke nach, die interessant und selbstbewusst und verspielt daherkommen sollen, und wie ein verschluckter Schrei nach Liebe klingen. Ich fand diese Frauen immer toll, bis ich merkte, dass sie nie sehr lange hielten. Wer wirklich was ist, muss es nicht sein. Sie macht natürlich das, was jede Frau macht, aber sie macht es anders. Sie macht es auf eine Art, die Menschen anzieht, von denen es wenig gibt. Man hat immer die Wahl sich zwischen dem einen und dem anderen zu entscheiden. Das eine ist leichter als das andere, aber das eine führt ins Nichts. Alles hat damit zu tun oder mit dem Ausbleiben davon. Wenn sich Leute eine reinhauen und Beton ans Bein binden, um sich im Tejo zu versenken, hat es damit zu tun. Wenn ich mich für das eine entschied und nach einer langen Nacht dafür schämte und heimlich heulte und dann rausging, und nicht wusste wohin, war die Stadt für mich da, vor allem die Rua João do Outeiro, wo Zé da Mouraria ist. Sie schenkte mir ein Café in der Sonne oder eine schöne Bank und einen netten alten Menschen, der darauf sitzt und sagt: für einen Verrückten bist du eigentlich normal, rede mit ihr. Wir konnten manchmal tagelang kein Wort miteinander reden, aber ohne Reden verstanden wir uns prächtig. Das ist ein typischer Satz, ich weiß, aber ich wollte ihn schon immer mal schreiben. Ich wollte ihn damals schon schreiben, als ich noch Italienerinnen traf und Frauen aus Brasilien, die kein Wort Englisch konnten und der Satz noch weniger stimmte, mit dem Zusatz, dass ich versuchte, ihnen zu erklären, mir bitte ihre Zungen zu zeigen. Am besten lernt man die Sprache eines Landes durch eine Frau. Aber das ist nie so, wie es sich anhört, und nie so sehr so, wie jetzt, und es ist auch jetzt nicht ganz so, denn […]

NACHTS, OBEN IN GRAÇA

NACHTS, OBEN IN GRAÇA

Man denkt ja, der Campo Santana wäre nur so ein Hügel, aber das ist er nicht. Er ist wie der Bug eines Schiffs, das in die Unterstadt sticht. Die Gassen sind ein Universum. Amalie wurde in ihnen geboren. Candy, die Rahmenmacherin lebt hier. Mein erstes Haus ist nicht weit und das Café, in das ich früher gerne ging. Nur für die Zukunft. Es arbeitet immer noch dieselbe Kellnerin hier, immer noch so herzlich, dass sie gar nicht freundlich sein muss. Sie weiß genau, dass ich früher oft hier war und wieder da bin, aber sie tut so, als könne sie sich an nichts erinnern. An den kurzen Doppelten, und ein Glas Wasser und mein geschundenes Herz. Nach all den Jahren. Vor all den Dingen. Damals hatte ich noch keine Sachen für den Strand und war auch sonst sehr deutsch. Ich dachte immer schon an das, was ich tue, nachdem ich etwas fertig getan hätte, bevor ich angefangen hatte, es zu tun. Ich ging kurz vor die Tür, um mir ein Brathähnchen zu holen, egal wen ich treffe, ich hätte mich nicht um eine Mahlzeit meines Lebens bringen lassen. Aber das geht in Südeuropa nicht, weil man sich sonst gegen das Leben versündigt, so wie es sich in den Gassen bietet und man nie weiß, wen man trifft und wo man isst und in welcher Bar man später endet. Seit neustem haben alle meine Drinks da. Sie fragen, was ich nur will und umso mehr man weiß, desto weniger gibt man sich mit weniger zufrieden. Also ordentlichen Wermut und St. Germain her. Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Damals in dem Café schrieb ich mal eine Geschichte über die Stierkampfarena und eine Markise unter der ich mal saß. Ich schrieb den ganzen Morgen und aß zu Mittag und schrieb dann noch ein bisschen mehr. Ich glaube irgendjemand rief mich an und fragte, wo ich bin und wies geht und wieso gerade da. Es war fast so Sommer wie jetzt. Mai meines Lebens. Die Bäume blühten und die Feiertage liefen so vor sich hin. Ich hatte vieles vor mir und einiges dahinter und keine Ahnung von dem Kreuzfeuer in das ich geraten würde und der Gratwanderungen, auf die sich jeder begibt. Ist es nicht das, was wir wollen? Ein Leben, dass seine Verluste und Verletzungen mit Falten und Furchen irgendwann in uns eingegraben hat? Es ist ein besonderes Gefühl, das ich sonst nur noch habe, wenn ich über den Platz vor meiner ersten Wohnung gehe und mich erinnere, wie es war, hier zu sein, vor allem Anfang und allen Verwicklungen und Verhältnissen, die das Ich eingeht, mit sich und der Welt und den Menschen und der Welt. Die Welt ist schön. Nur wir Menschen machen sie mit uns und unseren Kausalitäten und Korrelationen und all den anderen komplizierten Dingen mit K kaputt. Es ist immer noch die gleiche Welt, aber ein anderes Gefühl. Hunderttausend Mal gesehen, aber dieses eine Mal wirklich. Das Leben ist doch verrückt, was gar nicht schlimm ist, nur wenn es so wird, dass man es gar nicht mehr schreiben kann, ohne dass es einen Sinn ergibt, wird man es auch. Über das Gefühl von heute, werde ich das auch irgendwann sagen, mit anderen Plätzen, die auch schöne Gefühle haben, wenn man sich einmal daran erinnert. Man geht dann dorthin zurück und das Gefühl ist noch da. Die Luft ist frisch und das Wasser schimmert durch die Bäume. Ein Gedanke daran, wie es wohl eines Tages sein wird, die Zeit und der Blick und die Erinnerung daran. Was machen wir eigentlich? Wie viel berghoch für wie viel bergrunter? Keine Ahnung, was du machst, ich laufen so rum. Ich laufe gerne ziellos umher, nachdem ich gearbeitet habe und schaue, wohins mich zieht. Tagsüber lehrt sich das Notizbuch und abends wird es wieder voll. Du wirst nie fertig, vergiss es. Läufst dir die Absätze ab und schaust, was passiert und der Traum, in ein Café zu gehen und zu sehen, wer da ist, ohne sich zu verabreden, geht irgendwann in Erfüllung. Hemdknopf bis zum Hosenknopf offen. An manchen Tagen […]

GENUGTUUNG

GENUGTUUNG

Hätte ichs gestern geschrieben, wäre es nie so geworden wie heute und schreibe ich es heute, ist es nie so gewesen wie gestern. So ist das Leben. Die eigentliche Frage ist doch, wann mein geräucherter Körper hinter meinem Aussehen hervorkommt. Rauchen geht gut, solange einem der Tod nichts anhat, keine Zeichen zeigt. Für was hat man weiße Zähne, wenn nicht für Momente in denen sie schwarz werden? Gestern ist es noch ok mitternachts vor einem Quiosque zu stehen, wochentags, wie immer jung, heute ist man einer von denen. Man denkt ja, es sind immer die anderen, die alt werden und im immer noch vorm Quiosque stehen, sowas passiert einem nicht. Flugzeugabstürze, Leberzirrhosen oder Frauen, die den Gärtnern ficken, nachdem man sich das Leben genauso eingerichtet hat, wie sie wollen. Alles mitnehmen, heißt alles, alles, was das Leben ist und wie es ist, mit all seinen Kindern und Konsequenzen, nicht nur von einem sehr viel. Er hat alles mitgenommen, steht am Ende eines Künstlerlebens gerne auf den Verpackungen. Was da nicht steht, ist alles, was mit einundzwanzig noch stehen konnte, anstatt einer ernsthaften Liebe. Gut, dass mit den Kindern weiß ich selbst nicht. Solange sie einen nur bewundern, weil man scharfe Messer benutzen darf und alles, außer Weinen und Schlafen, besser kann als sie, weiß ich auch nichts damit anzufangen. Ich freu mich mehr, wenn einer was wird, der schon ist. Man sehe dadurch ganz neue Sachen und andere und alte, aber aus einer neuen Perspektive. Ja, das sehe ich auch, wenn ich nachmittags durch Lissabon lauf. Der Wind weht hier gerade noch so die Hitze weg. Immerhin habe ich schon mal allen gesagt, die ich scheiße finde, dass ich sie scheiße finde. Der Brasilianerin bei Ramiro, dem großen Italiener bei Vino Vero und Ricardo, obwohl ich den wieder mag und dass bei Gelegenheit zurücknehmen muss. Erwachsen oder? Es fühlt sich vielleicht einsam und verloren an, aber sehr richtig und man darf es nicht nur nicht tun, weil es sich so anfühlt. Das ist wie nie Schluss machen, weil man eine schöne Wohnung miteinander hat und Pläne und Schwiegereltern, die man mag. Ist aber ein anderes Thema und hat nichts mit dem zu tun, was ich gestern schon schreiben wollte. Es ist heute Morgen nur akut und ich würde mich jetzt gerne wieder vor der Unvollkommenheit der Welt zurück in meine Texte flüchten. Nachdem ich was geschrieben habe, kann ich die Vollkommenheit dann auf ein paar Meter mit ins Leben nehmen. Es ist ein komisches Gefühl, leer und irgendwie demütig und so, als ob ich einen Stierkampf gesehen hätte. Nach einem Stierkampf weiß ich nie, wie ich mich fühlen soll. Meistens wie jemand, der mit jemandem geschlafen hat, den er nicht liebt. Und trotzdem, was war das für ein Wochenende. Fünf Jungs, ein Dorf, eine Stunde von Lissabon. Man könnte mir alles nehmen und mich einsperren. Ich würde in meiner Zelle sitzen, mit der Erinnerung daran, und schmunzeln. Wie wir da hinter den Holzbarrikaden standen und vor den verbarrikadierten Schaufensterfassaden, wie im Krieg. Mit roten Halstüchern, was bei mir ganz schön schwul aussah. Wir standen auf den Barrikaden und Postkästen oder hingen an den Laternen, wenn die Stiere kamen. Mit einem zehn Liter Schlauch Wein, den uns die Frauen nach dem Mittag gaben, weil wir jung sind und schön und der Tod uns nichts kann. Wir wecken Muttergefühle und andere Gefühle und hatten gut gegessen und sie meinten, wir sollten was Ordentliches trinken, wenn wir die Lardgada überleben wollen und den nächsten Tag […]

CLARO

CLARO

Es war Donnerstag und Ende Mai und man kam dann gut hin. Dass Donnerstag war und Ende Mai ist wichtig und nicht nur irgend so ein Einstieg, denn samstags, und im Juni kam man da schon nicht mehr hin. Die Straße über die Serra wurde gesperrt und von dem schönen Blick über die Bucht blieb kein Boot übrig. Nur Hügel im Vorbeifahren, die schmale Straße, vorm Ozean links. Die weißen wunderschönen Dörfer mit ihren weißen unschuldigen Kirchen, umgeben von kargen Farben, die langsam in der Sonne trockenen. Das Grüne wird erst gold und dann tot. Unschuld ist die einzige Farbe, die nicht in der Sonne trocknet. Man fährt durch das Hügelmeer und dann das richtige und einen Nadelwald, der an Salzwasser grenzt, wie immer und immer wieder neu. Es wäre vielleicht alles gar nicht so, wenn man nicht nur daran vorbeifahren würde. Das Schöne daran ist das Vorbeifahren. Diese Flucht. Aber sie macht auch fickrig und irre, wenn man nichts mit dem Schönen anstellen kann und es immer einfach so vorbeiziehen lässt. An manchen Stellen sieht das Schöne aus wie Portofino, die Karibik, aber verflucht, warum zur Hölle braucht man immer andere, fernere Orte, um den zu beschreiben, an dem man jetzt ist. Vielleicht liegt das an der Ferne und dem Banalen, das da nicht hinkommt. Den schlafenden Booten, gleichwinklig draußen am Horizont. Das Meer ist da sehr blau. Nachts leuchten dort die Sterne, rufen, als versuchen sie ihre Geheimnisse zu offenbaren oder unseres zu begreifen. Wir begreifen sie selber ja nicht. Mag sein, dass wir alle Werke eines Willens sind, der durch unser Fühlen verbunden ist. Es ist der gemeinsame Kern unseres Seins. Ein Fühlen lang schlagen zwei Herzen in der Einheit des Alls. Doch ein Gedanke reißt uns von uns. Er grenzt ein Stück des Gefühls ein, wie Worte, die das Gefühl teilen, in richtig und falschteilen, obwohl es aus dem Einen ist. Er vereinfacht es so, dass es sich sagen lässt und macht es weniger wahr und komplex und nicht mehr mit allem zusammenhängend. Manchmal sind die Gedanken frei und luftig wie Wind auf dem Land. Manchmal drehen sie sich um sich wie schwarze Vögel, die über einem kreisen, der an einem inneren Irrgarten stirbt. Wir können sie nicht unterdrücken. Wir können sie nur benennen und verstehen und in uns aufheben lernen. Versuchen, dass sie nicht auf Abwege geraten und Fantasien erzeugen und Ziele anstreben, die nie zu erreichen sind. Die Stadt bringt sie hervor. Man denkt Gedachtes und drückt Ausgedrücktes aus. Muss schnell fahren für ein bisschen Wind. Lässt sich zu Alltäglichkeiten und Ausschweifungen hinreißen. Streift aus idealistischen Trieben und ungestillten Sehnsüchten zwischen wunden Seelen umher, präsentiere Unterdrückung im Korsett. Sommer ist in der Stadt nur was zum Anziehen und der Geruch von Chlor, das in der Sonne trocknet. Geschwollene Pulsadern. Halbweltdamen, die sich auf ihre Selbstsucht zurückziehen. Im Hintergrund keucht ihre Gier nach Gewinn und eine Gleichgültigkeit, die daraus entsteht. Man kann sich umsonst nur auf eine Bank setzen und hoffen, dass sich die Kultur konzentriert. Auf dem Land ist das anders. Man sitzt auf Plastikstühlen bankrotter Eisteemarken, die gelb in der Sonne leuchten und guckt wie die Wäsche trocknet. Bezahlt irgendwann. Unten drunter ist Kies oder Sand und dann barfuß im Meer. Man wird schöner und schaut sich ständig im Rückspiegel an. Denkt als Gefühl. Die Welt gehört wieder einem und kostet nichts. Donnerstags und bis Ende Mai. Es ist ein schöner Morgen, der nach dem Mittag beginnt. Gestern war es so spät, dass es schon wieder früh gewesen ist. Wir hatten am Miradouro São Pedro de Alcântara einiges klargestellt. Wer wir sind und wie und was Beziehung für uns überhaupt ist und was nicht und dass nicht alles damit zu tun hat. Wir hatten getrunken und uns damit abgefunden und auf der Straße […]

ENDE

ENDE

Die Geschichte muss man nachts schreiben. Fix und fertig, bei Kerzenschein, mit Wein, und allein. Ich dachte immer, so fertig, allein mit Wein schreiben, wäre das Klischee schlechter Geschichten, die man nachts geschrieben hat. Ist es auch, aber ich sitze nun hier und war schon im Bett und hab heut schon genug geraucht und wollte es morgen in aller Frische wieder tun. Sobald die Ruinen im Hinterhof Sonneaufgangsfeuer fangen und ich weiß, die Nacht, die Nacht ist geschafft. Auf meinem letzten Weg zum Klo konnte ich dann Segelboote sehen. Ich sah ihre beleuchteten Spitzen vom Weg zum Klo aus. Das konnte ich nicht einfach so ungeschrieben stehen lassen und mich in den Schlaf onanieren, als ob da keine Segelboote wären und Frauen, mit denen man das tun möchte. Seitdem sitz ich hier, kein Plan wie späts ist, sieht aber spät aus, weil auf dem Laptop schon Nachtmodus ist und der schaltet sich spät ein, hat der Inder gesagt, der mir das installiert hat. Ist der gleiche Inder, den man beim Wasserkaufen auch fragen kann, woher man weiß, dass man mit der Richtigen zusammen ist? Er sagt dann, 4,50€ und dass man aufhört, die zu suchen, die es nicht gibt, außer man arbeitet als sowas wie ich und muss Sachen fragen, wie was wäre wenn und was überhaupt schön ist, für den Fall der Fälle, das was der Fall ist. Er finde, wir benutzen dieses Wort zu allgemeingültig. Picassos Guernica ist auch nicht schön. Wir setzen Kunst und Dekoration gleich, schön und hübsch, aber das ist es nicht, es ist Milch und Blut und etwas, dass eine Kraft hat oder eine Angst bewahrt, die auch zwischen Menschen ist, über die man gerne sagt, dass sie aber ein schönes Paar sind. Vier Jahre Leidenschaft geschafft. Strafe des Himmels. Da hast dus, dein Wasser, meinte er und dass ich mich nicht immer so haben soll. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Ja, sage ich, schon wieder. Um ehrlich zu sein, glaube ich aber, das ist kein Ende. Ein Ende wäre blank. Ein weißes Blatt Papier. Es gäbe nichts mehr zu sagen, dass man schreiben müsste. Mir nicht. Ihr nicht. Egal. Es wäre die Aufgabe von allem und vielleicht eine Antwort auf die Frage, ob ich psychisch krank bin oder allein einfach vollkommener. Das mit dem Vollkommenen habe ich aus irgendeinem Film. Ich weiß nicht mehr, aus welchem, aber ich erinnere mich an die Szene und eine Zeit, in der die Jacarandas blühten und die Bäume sehr grün waren und man das Gefühl hatte, für immer in dieser Wohnung gewesen zu sein. Das macht es schlimm und schön und man denkt, was man so denkt, wenn man sich denkt, dass man sich denken könnte, wohin man nun zieht und wann und wen man dann vögelt. Die Bäume rauschen im Wind und die Kerzen brennen und man will zerbrechen, zerbricht aber nicht. Ich wäre gerne ein Junggeselle geblieben, der an Sonntagen manchmal weint, wenn sie sich anfühlen wie eine ausgeräumte Wohnung.  Die Menschen behindern mich, wenn sie mir was bedeuten. Sie halten mich von mir fern. Besser sind die, die mir nichts bedeuten, nur die bedeuten mir dann viel. Zu viel, weil man sich verliebt, mit allem, was in einem ist und pulsiert und fordert und leben will. Wie kann sowas passieren? Man kommt nicht davon. Heilige gehen deshalb in den Wald, wenn sie die Menschen zu sehr lieben. Nur noch Rilke […]

NEVADA

NEVADA

Die schönste Zeit des Jahres fing traurig an. Wir verpassten das Blühen der Bäume. Wir sahen es jeder für sich. Heute weiß ich, dass sie an den Abenden auch an mich dachte, wenn sich die wichtigen unwichtigen Dinge des Tages legten und Musik und Rauch aus den Gassen kamen und die Alten tanzen sah und wieder wusste, dass man stirbt. Ein Lied, ein Geruch, ein Hauch Erinnerung, durch den man sich wiederkennt. Wir verlieren uns ja so im Leben. Hören Volksmusik und riechen Sardinenrauch und träumen von lauen ungeplanten Abenden auf Plätzen, Treppen, Tanzen in Gassen unter Bäumen an eine Kathedrale gelehnt. Wie viele Abende. Der in Penha und der in Campolide und der in Chelas, den wir niemals hatten. Abende wie Fantasien, an denen wir beide in einem möglich waren. Jetzt wird es Abend in Lissabon, wie es nach einer schlechten Zeit gut wird. Man sieht den Abend kommen, nur das Gute sieht man nicht, und das danach. An die Kathedrale gelehnt, in einer Gasse, in der die Leute unseres Viertels tanzen. Der Bäcker, der Metzger, die Wäscherinnen und der Straßenkehrer, ein paar unvermeidliche Deutsche. Manche von ihnen habe ich noch nie Sonntagssachen gesehen. Du kennst mich, ich trage die immer denselben festlichen Aufzug, jeden Tag, aber in diesem Monat nur einen, aus dem der Rauch sowieso nicht mehr rausgeht. Die Flecken geben mir dann einen Grund zur Wäscherei Jaguar zu gehen. Gut, noch eigene Wege zu haben. Was soll ich sonst tun, Touristinnen anmachen? Gedachtes denken, gegangene Wege gehen, wie stehe ich denn jetzt abends wieder an der Bar, an eine Kathedrale im All gelehnt. Ich sehe alles durch Glas, aber nichts dringt mehr ein. Das All um mich bedeutet nichts und nur nichts ist vollkommen. Es gibt kein Copy Paste. Gestern Abend war ich in Penha. Nicht weit von den Treppen an den wir uns trennten. Es ist trotzdem noch eine schöne Straße. Vitor hatte den Grill vor der Tür. Sardinen, Bauchfett und kalten Wein. Ich saß da mit einer. Hübsch, aber nicht so wie Cohen singt. Ein Stück weiter vorn war eine Bühne, auf einer kleinen Wiese, die von gemütlichen Mauern eingefasst war und von Wein und Lichterketten überragt wurde, aber so, dass noch genug Nachthimmel durchschien. Da waren Paar, die sehr gut tanzten. So schön wie Frauen nur schön sein können, die sich küssen. Tanzen konnte die nicht und ich dachte, es ist gut und einfach, sich in schlechten Zeiten zu vermissen, aber besser, es in den guten zu tun. Traurig, weil Santos Populares etwas so Fröhliches ist. Du sagtest mal, there is a Hell in every Hello, a good in every goodbye und a lie in every believe. Manchmal, wenn aus einer schönen Freitagnacht ein langer Samstagmorgen wurde und wir nicht stritten und nicht so verkatert waren und uns lesen ließen, glaubte ich daran. An eine Befriedigung der Seele, die unter alle Ermüdungen nie ermüdet. Eine Bewunderung, ein Streben, das Gefühl, dass du mich noch nie so tanzen sehen hat. Mit Tränen in den Augen. Wieso musstest du mich besitzen? Ich kann mit Erwartungen nicht umgehen und du sagst, ich hätte dich zerstört? Eins gegen eins ist nichts. Und die Lösung des Rätsels keine Lösung und so betrinkt man sich am Wein eines Landes und lässt die Tränen in verwahrloste Gärten fließen. Wein und Weinen, das kann doch kein Zufall sein. Die Tage vom Ende hergedacht. Meine Verflossenen sind wieder mir! Was mich auf komische Gedanken bringt. Die Liebe liegt in manchen Herzen wie in Särgen, pocht an die Welt und will nicht sterben. Ich wollte beweisen, dass […]

KAJAL

KAJAL

Es war immer schön mit Bildern von Malern, die uns besuchten und eins daließen in die Vencedora zu gehen, um es Rahmen zu lassen und nicht zu sagen, dass alles okay ist, wenn es das nicht war, weil man gestritten hatte und wieder wütend aus dem Haus ging. An solchen Tagen wusste ich nie, was ich tun sollte und ging gerne dahin und sprach mit einer Frau, die man im Viertel Candy, die Rahmenmacherin nannte. Bis man sich irgendwo ansehen konnte, wie das Straßenlicht anging. Wir sprachen über alles und die Wut und auch ein bisschen über die Rahmen, dumme bürgerliche Klischees, was richtig wäre und falsch, und das heute viel richtiges falsch ist. Candy meinte, es wäre immer einfach, gute Zeiten mit jemandem zu verbringen, aber schwer in den schlechten, obwohl die sehr wertvoll sind. Schlechte Zeiten könnte man nur mit sehr guten Menschen verbringen. Wir sollten aufhören, das Leben in solche und solche Zeiten zu unterteilen, Wein und keinen Wein, manchmal ist es okay, einfach nur okay zu sein. An solchen Tagen überließ man es besser der Stadt. Einem brennenden Ozean in der Sonne und den Blumen, die nachts ohne Farben blühen. Und so machte ich mich, an solchen Tagen und an anderen, wenn sich der Markt vor unserem Haus leerte und man den Platz wieder sehen konnte, erst beim Antiquar vorbei, um zu sehen, ob er ein neues altes Buch über Lissabon dahatte. Es waren jetzt nur noch wenige Leute da, die gearbeitet hatten und an rotweißkarierten Tischen unter den Bäumen saßen. Mit ihnen und dem Antiquar führte man einfache Gespräche und es waren immer die besten und einfachsten nach einem Tag Arbeit. Ich hatte gerade etwas Geld und es war ein gutes Gefühl, sich was kaufen zu können, wenn man sich was leisten konnte und nicht nur wenn nicht. Eine Flasche Roten für alle, ein altes Buch über Lissabon, eine Zeitung, um zu wissen wann dann die Welt untergeht, Marlboros, und später eine Tasca, in der man essen konnte und der Tag war grenzenlos. Alle kleinen und großen Stunden. Ich zog mich schick an und ging durch die Straßen, zur Feier des Lebens, wie Candy gesagt hatte. Durch meinen Anzug und die Stadt und den Maler hatte ich gelernt, alles, was ich bin, in mein Tun zu legen. Von allen meisten vielleicht doch von ihr, aber sie zählte nicht, weil sie gerade nicht mit mir redete oder ich nicht mit ihr. Mein Telefon ließ ich lieber daheim. Alles schlimme, was jetzt noch passieren konnte, passierte am Telefon, weil es nie was mit dem zu tun hatte, was man gerade sah, tat oder sagte. So war das Heute nun mal, und solange die letzte dicke Oma nicht dünn geworden ist und der letzte alte Mann noch nichts Besseres zu tun hat, als herumzusitzen, hielt ich das auch aus und ging weiter, am Markt vorbei und die Blumenverkäuferin rief und ich sagte nein, danke, heute wäre kein guter Tag für Blumen. Sie fragte warum denn und gab mir Beziehungsratschläge und sagte das gleiche, was auch Inder sagte, bei dem ich meine Zigaretten kaufte, nur dass er es am Beispiel eines fahrenden Autos festmachte, das nicht mehr rollt, weil ein Rad nicht dreht. Mit diesen Leuten konnte man gut reden, weil man nicht darauf achten musste, was man sagte und ob es stimmte und die ganze Wahrheit war, wie mit gewissen gemeinsamen Freunden. In der Tendinha am Rossio machte ich dann erstmal Pause. Stand am Tresen, trank ein Glas, aß frittiertes Seehechtfilet mit Brot und sprach mit Senhor Alfredo über was anderes. Ich hatte mir bis hier her meistens so viele Meinung angehört, dass ich selbst gar keine mehr hatte. Außerdem fand ich den Inder immer etwas extrem, indem was er sagte, vor allem wenn Ramadan war, so wie gerade und die Tage lang. Er durfte nichts, bis die Sonne weg war, und dann durfte er auch nicht alles und […]

PAPPERLAPAPP

PAPPERLAPAPP

Endlich wieder Lissabon. Egal, wo wir waren, ich bin nirgends lieber gewesen, aber es ist gut wieder hier zu sein, auch wenn wir noch nicht ganz da sind, wo wir sind, weil man im Ritz noch nicht ganz in Lissabon ist. Das Hotel ist in Lissabon, aber es ist nicht Lissabon, es sind mehr Leute im Gym als an der Bar. Deswegen sind wir hier. Wir kommen an und fliegen weg und dazwischen bringen wir uns in Ordnung oder erholen uns von uns und vom Rauchen. Stattfinden wir woanders. Alles, was es dann zum Glück braucht, ist Zeit, Lissabon, ein Notizbuch mit weißen Seiten, einen Film in der Kamera, Kippen, Kleingeld zum Essen und keinen Treffen, das wars. Es schreiben wenige Menschen und noch weniger schreiben von Städten, in denen sie leben und Frauen, die sie lieben. Sie schreiben von anderen Städten und anderen Frauen, die sie nicht lieben, und so leben und lieben sie auch. Dabei ist es so ein besonderes Gefühl, von hier morgens, die Avenida zur Arbeit runterzugehen, wenn man hauptberuflich durch die Straßen Lissabons geht. Es ist ein anderes Gefühl, aber ein ganz schön anderes. Am Anfang vergleicht man die Straßen der Stadt noch mit den Straßen der Städte aus denen man gerade gekommen ist. Die Lissabonner Illustrierten und Fußballzeitungen mit internationaler Presse, die in Paris und Wien in den Auslagen der Straßenläden hängt. Dann denkt man sich, dass es schön ist, weil dieses Land auch ohne schlechte Nachrichten auskommen kann, mit denen man nichts anzufangen weiß, außer Heulen. Man weiß bei hundert Toten nicht mehr, was ein einziger ist. Weiß ich, was gerade in der Welt passiert. Sie geht unter, sie verbrennt, alles wie immer, was muss man da noch schreiben? Vielleicht was zur Endzeitstimmung und dem Wunsch einer jeden Generation, dass die Welt mit ihr zu Ende geht, weil sie nicht ertragen kann, dass sie das nicht tut. Sie dreht sich weiter, Tag für Tag, also genießen wir’s bis das Ding in die Luft fliegt und widmen uns den schönen Dingen des Lebens: Frühstück, allein mit Zeitung, ist eben eine Schwäche von mir, aber eine, die in der Tabacaria Monaco gekauft wurde. Die Zeitungen dort lesen sich besser. Es ist wunderbar an einem Morgen nach langer Zeit dort eine Zeitung zu kaufen und in der ersten Etage der Confeitaria Nacional zu sitzen und zu lesen und sich ein Croissant, Espresso, Butter, Rührei mit Schnittlauch und Orangensaft zu bestellen und durch die Fenster auf den Platz, mit der Reiterstatue, zu blicken. Sonniges Schweigen. Tauben grasen wie kleine Kühe im Wind. Penner liegen zwischendrin rum. Eine sehr braungebrannte Frau muss eilig irgendwohin. Ihr Schritt ist so schnell, dass sie selbst kaum mithalten kann. Was sie tut muss sehr wichtig sein. Vielleicht arbeitet sie für eine Zeitung oder ein französisches Arschloch, das mit Mietspekulationen sein Geld verdient. Cat könnte genauso farbvoll in der Sonne laufen, so braungrün und schwarz, sehr gesättigt, aber sie läuft nie so eilig irgendwohin, also schreibe ich über die. Nichts nervt, nur manche Zeitungsüberschriften und das Parkhaus und die Gedanken ans Einkaufszentrum, das aus dem ehemaligen Hotel Francfort entstehen soll und dieses fürchterliche Hotel, dass sie aus dem ehemaligen Hospital am Botto Machado machen und das nächste fürchterliche Hotel, das aus der ersten Etage dieser Confeitaria entstehen wird. Natürlich von Franzosen, den alten Baumeistern. Jetzt wird’s persönlich. Keiner mag euch, tut mir leid, aber man muss so schreiben, wie man hinter dem Rücken über andere redet, sonst ist es nichts. Ich bin ja auch Investor. Ich investiere in alte Cafés und halte die Bars am Leben, gehe in die dreckigsten Tascas, obwohl ich weiß, dass man stirbt, wenn man zu viel von denen isst. Jorge, der Schuhputzer, ist fast an ihnen gestorben. Manchmal gehe ich rein und bestelle einen Pfirsich, um ihnen das Wechselgeld dazulassen. Sie […]

ALVALADE

ALVALADE

Ganz ehrlich, es kotzt mich an und es ist so schön, das Leben lässt sich nicht fassen. Man schreibt was, von dem man denkt, dass es so ist und bevor man es geschrieben hat, ist es schon nicht mehr. Wortgewordenes Denken ist das und das kann sonst was sein, Probleme, die es nicht gibt, Gedanken, die man sich macht, Gefühl, die man nie hatte. Wie soll man so arbeiten? Eine These, die ich zu widerlegen suche, dass man sich an alles gewöhnt, ans Schlechte, aber auch an das Gute. Die Dinge schätzen und mehr davon wollen, menschlich, wie soll das gehen? Man sehnt sich nach einem Leben und wenn man es hat, sehnt man sich nicht mehr? Fragt sich, ist das alles, und wie wäre es, wenn. Geht mit der Erfüllung eines Traums, also der Traum verloren? Nein, geht er nicht, und das ist kein Optimismus im Angesicht der Wahrheit, sondern die Wahrheit selbst. Ich wollte immer so einen Blick und ich sehe ihn jeden Tag und kann ihn jeden Tag nicht fassen. Da steht ein Segelschiff im Hafen verdammt und es dämmert und ich kann das sehen. Von einem Stuhl in Lissabon aus, nachdem wir an der Promenade lang sind und mit den Fischern redeten und uns eine Ausstellung ansahen und uns liebten und im Park saßen und nach dem Mittag frühstückten, weil wir gestern bis in die Puppen Uhr weg waren. Sie gibt mir, was ich ihr nicht geben kann und umgekehrt. Kongenial ist das oder Congeniali, das ist besser, weil das italienisch ist und alles, was italienisch ist, nicht schlimm ist. Mein Gefühl kommt über alles hinaus, sprengt, die Grenzen einer Welt im Kopf, die wir uns mit den wenigen Worten erklären, die wir kennen. Ich bin nicht der Typ, der Träume hat und bald 32 wird und mehr vom Leben will, als ein Salzbad, in dem er was von Thomas Mann lesen kann. Ich will abends am Balkonfenster sitzen und rauchen, obwohl mir das Leben so lieb ist, oder gerade deswegen. Ich unterteile das Leben nicht in gute oder schlechte Zeiten, denn viele schlechten Zeiten sind besser, als die guten und nur die guten, machen die schlechten schlecht und so weiter. Ich habe gehört, Sehnsucht wäre alle unerfüllten Wünsche und diese Unerfüllung ist in Erfüllung gegangen mit ihr. Sehnsucht nach dem, was man hat. Haben, Halten, Motus Animi Continuus, Thomas Manns Tod in Venedig, ich selber kenne solche Lateinischen Worte nicht. Es reizt der Weg, deswegen sind wir unterwegs. Selbst dienstags. Wir haben da dieses Ding, dass wir uns in irgendeinem Viertel auf ein Date treffen, gestern war Alvalade dran. Wir lagen bis abends im Bett und scheiterten an uns und heulten, dass uns im Old Vic die Augen brannten. Das ist eine Bar in der Travessa Henrique Cardoso, genau mein Ding. Die Kellner sind sehr nett und schreiben an und leihen einem Kippen aus ihrem Privatvermögen, wenn man keine mehr hat. Wir kommen ihnen mit immer neuen Drinks, die sie dann lernen und so lange sie die Drinks lernen und noch nicht mixen, schreiben sie die nicht an. Wir sitzen also auf hohen Hockern und hoffen und haben durchs Heulen die Augen von Neugeborenen, können die Dinger kaum offenhalten. Kann am Rauch liegen, kanns aber auch nicht. Unser Tisch wackelt und wir reden kein Wort und denken oh je das wars jetzt und dann reden wir doch und denken es nicht mehr und haben Probleme gelöst, die es nie gab und nicht geben wird, bis auf den Tisch, was für eine Nacht. Sie trägt mein Kleid durch die Nacht. Sowas kaufe ich gerne, lieber als was […]