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Konstantin Arnold

PAPPERLAPAPP

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Endlich wieder Lissabon. Egal, wo wir waren, ich bin nirgends lieber gewesen, aber es ist gut wieder hier zu sein, auch wenn wir noch nicht ganz da sind, wo wir sind, weil man im Ritz noch nicht ganz in Lissabon ist. Das Hotel ist in Lissabon, aber es ist nicht Lissabon, es sind mehr Leute im Gym als an der Bar. Deswegen sind wir hier. Wir kommen an und fliegen weg und dazwischen bringen wir uns in Ordnung oder erholen uns von uns und vom Rauchen. Stattfinden wir woanders. Alles, was es dann zum Glück braucht, ist Zeit, Lissabon, ein Notizbuch mit weißen Seiten, einen Film in der Kamera, Kippen, Kleingeld zum Essen und keinen Treffen, das wars. Es schreiben wenige Menschen und noch weniger schreiben von Städten, in denen sie leben und Frauen, die sie lieben. Sie schreiben von anderen Städten und anderen Frauen, die sie nicht lieben, und so leben und lieben sie auch. Dabei ist es so ein besonderes Gefühl, von hier morgens, die Avenida zur Arbeit runterzugehen, wenn man hauptberuflich durch die Straßen Lissabons geht. Es ist ein anderes Gefühl, aber ein ganz schön anderes. Am Anfang vergleicht man die Straßen der Stadt noch mit den Straßen der Städte aus denen man gerade gekommen ist. Die Lissabonner Illustrierten und Fußballzeitungen mit internationaler Presse, die in Paris und Wien in den Auslagen der Straßenläden hängt. Dann denkt man sich, dass es schön ist, weil dieses Land auch ohne schlechte Nachrichten auskommen kann, mit denen man nichts anzufangen weiß, außer Heulen. Man weiß bei hundert Toten nicht mehr, was ein einziger ist. Weiß ich, was gerade in der Welt passiert. Sie geht unter, sie verbrennt, alles wie immer, was muss man da noch schreiben? Vielleicht was zur Endzeitstimmung und dem Wunsch einer jeden Generation, dass die Welt mit ihr zu Ende geht, weil sie nicht ertragen kann, dass sie das nicht tut. Sie dreht sich weiter, Tag für Tag, also genießen wir’s bis das Ding in die Luft fliegt und widmen uns den schönen Dingen des Lebens: Frühstück, allein mit Zeitung, ist eben eine Schwäche von mir, aber eine, die in der Tabacaria Monaco gekauft wurde. Die Zeitungen dort lesen sich besser. Es ist wunderbar an einem Morgen nach langer Zeit dort eine Zeitung zu kaufen und in der ersten Etage der Confeitaria Nacional zu sitzen und zu lesen und sich ein Croissant, Espresso, Butter, Rührei mit Schnittlauch und Orangensaft zu bestellen und durch die Fenster auf den Platz, mit der Reiterstatue, zu blicken. Sonniges Schweigen. Tauben grasen wie kleine Kühe im Wind. Penner liegen zwischendrin rum. Eine sehr braungebrannte Frau muss eilig irgendwohin. Ihr Schritt ist so schnell, dass sie selbst kaum mithalten kann. Was sie tut muss sehr wichtig sein. Vielleicht arbeitet sie für eine Zeitung oder ein französisches Arschloch, das mit Mietspekulationen sein Geld verdient. Cat könnte genauso farbvoll in der Sonne laufen, so braungrün und schwarz, sehr gesättigt, aber sie läuft nie so eilig irgendwohin, also schreibe ich über die. Nichts nervt, nur manche Zeitungsüberschriften und das Parkhaus und die Gedanken ans Einkaufszentrum, das aus dem ehemaligen Hotel Francfort entstehen soll und dieses fürchterliche Hotel, dass sie aus dem ehemaligen Hospital am Botto Machado machen und das nächste fürchterliche Hotel, das aus der ersten Etage dieser Confeitaria entstehen wird. Natürlich von Franzosen, den alten Baumeistern. Jetzt wird’s persönlich. Keiner mag euch, tut mir leid, aber man muss so schreiben, wie man hinter dem Rücken über andere redet, sonst ist es nichts. Ich bin ja auch Investor. Ich investiere in alte Cafés und halte die Bars am Leben, gehe in die dreckigsten Tascas, obwohl ich weiß, dass man stirbt, wenn man zu viel von denen isst. Jorge, der Schuhputzer, ist fast an ihnen gestorben. Manchmal gehe ich rein und bestelle einen Pfirsich, um ihnen das Wechselgeld dazulassen. Sie […]