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BYND

Konstantin Arnold

CLARO

CLARO

Es war Donnerstag und Ende Mai und man kam dann gut hin. Dass Donnerstag war und Ende Mai ist wichtig und nicht nur irgend so ein Einstieg, denn samstags, und im Juni kam man da schon nicht mehr hin. Die Straße über die Serra wurde gesperrt und von dem schönen Blick über die Bucht blieb kein Boot übrig. Nur Hügel im Vorbeifahren, die schmale Straße, vorm Ozean links. Die weißen wunderschönen Dörfer mit ihren weißen unschuldigen Kirchen, umgeben von kargen Farben, die langsam in der Sonne trockenen. Das Grüne wird erst gold und dann tot. Unschuld ist die einzige Farbe, die nicht in der Sonne trocknet. Man fährt durch das Hügelmeer und dann das richtige und einen Nadelwald, der an Salzwasser grenzt, wie immer und immer wieder neu. Es wäre vielleicht alles gar nicht so, wenn man nicht nur daran vorbeifahren würde. Das Schöne daran ist das Vorbeifahren. Diese Flucht. Aber sie macht auch fickrig und irre, wenn man nichts mit dem Schönen anstellen kann und es immer einfach so vorbeiziehen lässt. An manchen Stellen sieht das Schöne aus wie Portofino, die Karibik, aber verflucht, warum zur Hölle braucht man immer andere, fernere Orte, um den zu beschreiben, an dem man jetzt ist. Vielleicht liegt das an der Ferne und dem Banalen, das da nicht hinkommt. Den schlafenden Booten, gleichwinklig draußen am Horizont. Das Meer ist da sehr blau. Nachts leuchten dort die Sterne, rufen, als versuchen sie ihre Geheimnisse zu offenbaren oder unseres zu begreifen. Wir begreifen sie selber ja nicht. Mag sein, dass wir alle Werke eines Willens sind, der durch unser Fühlen verbunden ist. Es ist der gemeinsame Kern unseres Seins. Ein Fühlen lang schlagen zwei Herzen in der Einheit des Alls. Doch ein Gedanke reißt uns von uns. Er grenzt ein Stück des Gefühls ein, wie Worte, die das Gefühl teilen, in richtig und falschteilen, obwohl es aus dem Einen ist. Er vereinfacht es so, dass es sich sagen lässt und macht es weniger wahr und komplex und nicht mehr mit allem zusammenhängend. Manchmal sind die Gedanken frei und luftig wie Wind auf dem Land. Manchmal drehen sie sich um sich wie schwarze Vögel, die über einem kreisen, der an einem inneren Irrgarten stirbt. Wir können sie nicht unterdrücken. Wir können sie nur benennen und verstehen und in uns aufheben lernen. Versuchen, dass sie nicht auf Abwege geraten und Fantasien erzeugen und Ziele anstreben, die nie zu erreichen sind. Die Stadt bringt sie hervor. Man denkt Gedachtes und drückt Ausgedrücktes aus. Muss schnell fahren für ein bisschen Wind. Lässt sich zu Alltäglichkeiten und Ausschweifungen hinreißen. Streift aus idealistischen Trieben und ungestillten Sehnsüchten zwischen wunden Seelen umher, präsentiere Unterdrückung im Korsett. Sommer ist in der Stadt nur was zum Anziehen und der Geruch von Chlor, das in der Sonne trocknet. Geschwollene Pulsadern. Halbweltdamen, die sich auf ihre Selbstsucht zurückziehen. Im Hintergrund keucht ihre Gier nach Gewinn und eine Gleichgültigkeit, die daraus entsteht. Man kann sich umsonst nur auf eine Bank setzen und hoffen, dass sich die Kultur konzentriert. Auf dem Land ist das anders. Man sitzt auf Plastikstühlen bankrotter Eisteemarken, die gelb in der Sonne leuchten und guckt wie die Wäsche trocknet. Bezahlt irgendwann. Unten drunter ist Kies oder Sand und dann barfuß im Meer. Man wird schöner und schaut sich ständig im Rückspiegel an. Denkt als Gefühl. Die Welt gehört wieder einem und kostet nichts. Donnerstags und bis Ende Mai. Es ist ein schöner Morgen, der nach dem Mittag beginnt. Gestern war es so spät, dass es schon wieder früh gewesen ist. Wir hatten am Miradouro São Pedro de Alcântara einiges klargestellt. Wer wir sind und wie und was Beziehung für uns überhaupt ist und was nicht und dass nicht alles damit zu tun hat. Wir hatten getrunken und uns damit abgefunden und auf der Straße […]