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BYND

Konstantin Arnold

FANAL

FANAL

Keine Ahnung, was los ist. Ich versuche schon seit einer Weile kein guter Mensch zu sein und finde das schwieriger, als sonst irgendetwas, außer vielleicht zu verstehen, wo die eigene Interpretation der Dinge endet und sehr wohl der Vorwurf des anderen beginnt; oder zu wissen wie etwas ist, bevor es sich ändert, oder selber zu entscheiden, was richtig ist und was falsch, oder wirklich zu denken und zu fühlen, was man fühlt und denkt und nicht, was man denken und fühlen sollte, weil man nicht schlecht genug ist. Anstand wäre doch zu sagen, ich habe geweint, weil ich dich liebe, aber das ist meine Sache. Es geht dich nichts an. Du sollst kommen und gehen, wann du willst. Wenn du kommst, will ich mich freuen und wenn du gehst, nicht traurig sein, selbst wenn ich lüge. Wir sitzen im Park auf einer Bank, nicht weit von Estefania. Ein Stück Grün, das man auf Alltagswegen passiert. Wir haben hier schon groß Schlachten geschlagen und Fragen auf die großen Antworten der Liebe gesucht. Gefühle sind kompliziert. Man hat sie schon, man muss nicht noch drüberschreiben. Drüber schweigen. Alle wichtigen Augenblicke bedürfen der Sprache nicht. Ich wünschte ich könnte das glauben und warten, wie alle warten, ein bisschen auf den Bus und ein bisschen auf den Tod, darauf, dass einem schon wer das Warten versüßt und alles von alleine passiert, ohne, dass man es selbst passieren lassen muss. Was ist das Leben mehr als eine große Abschweifung, aber Schreiben und Lieben nicht, denn auf irgendeine Art beweist es irgendwas, ein Gefühl von Leben und ein Gefühl von Tod, Sterblichkeit und Unsterblichkeit, eine Atempause, einen Augenblick lang damit fertig, obwohl man noch lebt. Ein Beweis fühlt sich nie so an, wie das, was er beweist. Sie gibt mir einen Kuss und der Kuss kann sich nicht immer anfühlen, wie nach einem langen Gespräch im Park oder wenn man sehr geil ist oder sich gerade aus einem brennenden Frack befreit hat, weil er sich manchmal eben anfühlt, als hätte man das Gespräch zu Hause geführt, ohne Wein und das irgendwas gebrannt hat und man sich eine Weile nicht sieht. Man erwartet von einem Gefühl, dass es so oder so ist und nur weil es nicht so ist, ist es nicht schlecht. Tiefen Gefühlen kommen viele andere komplizierte Gefühle in die Quere, Schwerkraft der Werte. So ist das nun mal. Manche Leute sind vielleicht so sehr etwas, dass sie es gar nicht mehr tun brauchen. Aber ohne mich und das würde ich wahrscheinlich gar nie drüberschreiben, weil die Tendenz besteht, dass man, wenn man zu lange wartet und anfängt, etwas von einer Sache zu verstehen, überhaupt nicht mehr schreiben will. Zu wissen wann und trotzdem nichts auf Morgen zu verschieben und darauf zu vertrauen, dass der Morgen kommt, an dem man sich liebt, ein Buch zur Hand nimmt, einen Satz schreibt, über diesen Platz geht, mit Bäumen auf beiden Seiten und dem Zeitungsladen an der Ecke, wo die Elektrische abbiegt und weiter zum Parlament fährt. Wo war ich? Egal, stimmt das Timing nicht, ist alles wie ein fauler Trick, ein überflüssiger Effekt, unangebracht, aufgesetzt, wirkungslos und so weiter. Man kommt sonst wo her, obwohl der Moment ein ganz anderer ist. An meiner Wand hängen tolle Zitate dazu: Eins von Horaz zum Thema wann man was sagt und eins von Remarque, der den Wert eines Mannes anhand der Geschichten festmacht, die er nicht geschrieben hat oder sie so geschrieben hat, dass er sie nicht nochmal schreiben muss. Zwischen beiden klebt ein Bild vom Piemont. Wollte ich schon immer mal hin. Werden wir jetzt auch. Auf dem Rückweg von Portofino. Sind erst zwei Tage am Cap Ferrat und fahren dann dorthin. Rückflug von Turin. Ob ich vorher noch auf ein paar Drinks rumkomme? […]