VINDIMA
Das Leben ist gut auf dem Land. Es ist schön und hart und einfach und so ist es gut. Das Schöne daran ist, dass es ehrlich ist und mit den Jahreszeiten geht. Das schrieb schon Vergil, fern von Waffen und Eitelkeiten, Sorglos in seiner Ruhe, ein Leben ohne Betrügen. Die Jahre sind lang, Gutes geschieht und manchmal Schlechtes. Alles zu seiner Zeit. Wenn im Frühling der Nordwind weht und die Reben schmucklos sind, fast tot, denkt der Winzer mit Sorge an das Jahr. Drei Mal muss er pflügen, den Grund ständig brechen. Zwei Mal droht Schatten den Reben, zwei Mal Unkraut, so wölkt er auf den Staub, auch wenn die Trauben schon reif sind, ist Unwetter zu fürchten. Das Landleben ist hart, weil man jene Entbehrungen kennt, die etwas kostet, nicht nur seinen Preis. In der Stadt vierdienen wir die Feiertage nicht. Man sitzt am Schreibtisch, wird langsam fetter, steckt Blumen in Vasen, will Birnen im Mai. Landleben ist einfach, weil es nichts bringt, die Dinge noch besser zu verstehen, als sie sind. Sie lassen sich in Arbeit und Mahlzeiten unterteilen. Von Montag bis Samstag. Dann wird geruht, wie in der Bibel, wobei der Kirchgang nur ein Witz ist. Man hat ein Samstagsgefühl, dem ein Sonntagsgefühl einhergeht, zieht sich was Ordentliches an, duscht, versucht sich die Fingernägel zu schrubben, vergeblich. Die Sonntage sind mehr ein Versuch. Sie verdammen zum Nichtstun und traurigen Gedanken. Man kann sie benennen und verstehen und in sich aufheben lernen. Versuchen, dass sie nicht auf Abwege geraten und Ziele anstreben, die nie zu erreichen sind. Die Stadt bringt sie hervor. Man denkt Gedachtes und drückt Ausgedrücktes aus. Fährt schnell für ein bisschen Wind. Lässt sich zu Alltäglichkeiten und Ausschweifungen hinreißen. Streift aus idealistischen Trieben und Sehnsüchten zwischen wunden Seelen umher. Sommer ist in der Stadt nur eine Mode, ein Geruch von Chlor, das in der Sonne trocknet. Wer einmal eine Zeit mit Landarbeit verbracht hat, weiß wovon ich rede. Es ist in erster Linie eine dreckige Arbeit, die umso sauberer wird, je näher sie der Stadt kommt. Es ist Arbeit, weil alle guten Dinge im Leben Arbeit sind. Oliven, Austern, Beziehung. Man versteht dann die, die mit dem Landleben auch in der Stadt weitermachen, abends, mit Dreck unter den Nägeln und Farbe auf den Sachen, geschafft vor einer kleinen Lissabonner Kneipe. Vor randvollen Gläsern mit Oberflächenspannung, Kapillarität nennt man das. Zu denen ging ich, als das Ende des Sommers kam, fragte nach der Ernte und wo man die machen kann. Ich sagte, ich hätte Oliven geerntet, könne hart arbeiten, gut Essen und würde eine Flasche vertragen. Einer sagte, er kenne da jemanden, ich solle morgen wieder kommen. Ich kam morgen und am nächsten Morgen und auch an dem Morgen danach. Ich kam jeden Tag, eine Woche lang. Es waren sehr nette Leute und immer die gleichen und man konnte sich gut an ihnen orientieren. Ich fragte, wo denn nun dieser Herr bleibt, und sie sagten, ich solle mich Gedulden, der würde schon kommen. Einige sagten es nur so, aber ein paar meinten es auch noch als ich weg war. Das Jahr war heiß und die Ernten begannen immer früher und wenn dann Regen kam, zog sich alles noch weiter hinaus. Bei schlechtem Wetter konnte man nicht ernten. Es gibt kein schlechtes Wetter, sagten sie dann, es gibt nur schlechtes Wetter, das in diesen Zeiten sehr gut ist. Ich ließ ihnen meine Nummer da und am nächsten Tag rief auch jemand an. Der Herr war dran und meinte, ob ich die Weinernte mitmachen wollte und wenn ich wirklich eine ordentliche Weinernte machen wollte, dann bei Badula, bei José Marques, im Ribatejo, nördlich von Lissabon. Morgen ginge es los, wenn sich das Wetter […]