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BYND

Konstantin Arnold

WENN ÜBERALL AUF IMMER TRIFFT I

WENN ÜBERALL AUF IMMER TRIFFT I

Natürlich kann man nicht einfach erzählen, wie eine Reise war und erwarten, dass jemand was damit anfangen kann, wenn er nicht schon selbst da gewesen ist oder jemanden bei offenem Fenster geliebt hat und mit einem Barmann in Genua oder Nizza darüber redete. Es gibt auf Reisen immer gute Geschichten und lustige, die die Leute mögen und sie wollen auch hören, wie, wir am Ende der Reise in einem Bahnhofslokal in Busto Arsizio festsaßen, weil unsere Flüge gestrichen waren. Die Bar war lang und ging durch den Raum und man konnte sie vom Vorplatz und vom Gleis aus betreten. Reisende und Einwohner kamen hier zusammen. Das war ganz nach meinem Geschmack, auch wie zum Bahnhof hin Bar geschrieben stand. Im Hinterraum waren ein paar Spielautomaten und Billardtische, auf denen wir schliefen und den Rest behält man besser für sich oder schreibt ihn auf oder wartet, bis die Leute selbst dagewesen sind und mehr hören wollen. Man kann auch nicht einfach erzählen, wie wir den Bentley nach drei Flaschen Rosé im Café de La Place über die Hügel von Nizza prügelten und wie schön sie aussah, als wir 280 fuhren und sie, das Meer und Nizza zu ihrer Rechten, schneller, schneller, schneller schrie. Das wurde mir am Ende unserer Reise verdammt klar, als wir im Café des Amis saßen, mit Freunden, wie der Name schon sagt, die sich zeitgemäß darüber echauffierten. Man konnte höchstens noch erzählen, wie wir danach im Grand Hotel du Cap Ferrat festsaßen und die Rechnung nicht zahlen konnten und den Sprit, um den 12 Zylinder zurück nach Mailand bekommen und Franz schrieben, meinem Verleger in Wien, und ihm vorheulten, dass wir hier festsitzen, wie tote Idole und die Drinks noch zahlen müssen und den Sprit. Ich war, wie immer, so blank wie noch nie, vielleicht sogar mehr als immer, aber hätte ich ihn nach was zum Anlegen gefragt oder Geld für die Miete oder eine Lebertransplantation, er hätte gelacht und nichts bezahlt, aber so gab er uns etwas Geld, das sogar noch für ein paar Drinks unterwegs reichte. Franz war vielleicht der einzige Verleger, der das noch verstand. Unsere Reise ging von den Seen über das Land bis ans Meer, kreuz und quer. Ohne zu wissen, an welches. Das musste man so früh im Jahr aber noch nicht. Man fragt sich auf dem Weg von Mailand an die Riviera natürlich, ob es sinnvoll ist, extra für ein paar Negronis noch zwischen Cernobbio und Ravenna zu halten. Aber Angelo arbeitet im Sommer da in der Villa d’Este, nachdem er den Winter in St.Moritz im Kulm gearbeitet hat. In den Bergen leitet er das Grand Restaurant, hier bringt er einem die Drinks und wenn er einem die Drinks gebracht hat, an einem Abend unter Bäumen, mit Blick auf den See und dem Knirschen seiner Schritte im Kies und dem Klang von Eiswürfeln im Glas, das von ihm über den Kies, unter den Bäumen getragen wird, fragt man sich das nicht mehr. Man schwelgt in Erinnerungen und denkt über den Sommer nach, redet mit Angelo über die besten der alten Orte und einige neue, an denen man mit seinem Leben in den Ferien weitermachen möchte. Badeorte & Bergdörfer, Inseln, Paläste. Ans Meer fährt man sicherlich, aber hier am See, zwischen Norden und Süden, meint Angelo, müsste man noch nicht wissen, an welches. Man macht die nötigen Korrespondenzen, studiert die Wetterkarten und Ausstellungsverzeichnisse der Zeitungen, trifft Vorkehrungen, Verabredungen, organisiert Zusammenkünfte, Lunches und los gehts! Ich hatte eine Zeitung dabei, die eine Woche alt war und dachte das Wetter in der Zeitung würde sich noch ändern, aber es änderte sich nicht und Mailand war bei unserer Ankunft so dunkel wie die Nacht und all die Wolken der Welt schienen sich im Becken vor den Alpen zu erheben. Wir holten unseren Bentley und standen im Feierabendverkehr mit all diesen Warnsystemen in Nordatlanitktiefgrau. Der Innenraum dieses Autos sah aus wie der einer Boeing und man saß auch wie First Class, mit Sicherheitshinweisen, die dafür sorgten, dass man sonst nichts mehr zu tun hatte, außer sich beim Fahren Gedanken zu machen. Ich schlug vor, so bis nach Genua zu fahren, weil man beim Bentleyfahren, das Fahren sowieso nicht so mitbekommt und das Wetter dort sicher besser ist. Ich verbrachte jedes Jahr eine Nacht da und das konnte gut die hier sein. Es gibt bessere Städte, um sich die Absätze abzulaufen, aber wenn man jedes Jahr eine Nacht da war, ist die Stadt ein Traum, in dem alles noch so ist, wie es nie war. Die größte Altstadt Europas, Paläste, einen Spalt weit von einander entfernt. Heute wohnt dort kaum einer mehr im Zentrum, was das Zentrum wundervoll macht, mit guten Bars und billigen Restaurants im Freien und unter Fresken. Geschichten von Tausend und einer Nacht und Nutten, Einwanderern, Ratten, aber sie hatte mein Angebot längst gekauft […]