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BYND

Konstantin Arnold

MATAKANA

Diese Überschrift könnte alles bedeuten. Majestätisch reiht sich ein Vokal an den nächsten und hinterlässt ein Wort, dessen Klang länger hallt, als es Silben zum Aussprechen gibt. An diesem Ort werden Barrels geboren und Rückräder gebrochen. Was auf dieser Insel passiert, bleibt auf dieser Insel, wie halbe Polyesterboards und gerissene Fußleinen. Nur die Geschichten von hohlen Wellen und sanfter Kiefernluft schaffen es über die Kleinstadtgroße Hafeneinfahrt. Es war wieder einer dieser Tage, hört man sie sagen. Es hatte eine halbe Woche Westwind geblasen, der direkt hinter der Baumgrenze auf 15 Sekunden Groundswell treffen konnte. Aus tiefem Wasser kommen sie, die Wellen, die mit ihren Geschwistern der zugänglichen Küstenlinie nichts gemein haben. Ein paar vorgelagerte Riffe bündeln diese Energie und formen Sandbänke, die wie knietiefe Bollwerke standzuhalten versuchen. Perfektion übernimmt auf Matakana das Sagen und produziert eine respektvolle Stille, die nur von überschlagenden Wellen und ankernden Booten zu unterbrochen werden scheint. Es ist ein mystisches Szenario, das einem durch den Kopfgeistert, wenn man am Vorabend gegen 20 Uhr versucht in den Schlafrhythmus zu finden, weil man vier Uhr morgens zum […]

BARISTA

Erinnerst du dich, an deine Zeit in Übersee. An das Kaffee mit der schönen Immigrantin, von der du dir jeden Morgen gewünscht hast, sie würde ihre Telefonnummer in den Milchschaum malen. Nach einer guten oder schlechten Session trifft man jeden den man treffen oder nicht treffen möchte und tauscht aus, schleißt Freundschaften oder verliert eine Runde Backgammon. Erinnerst du dich, an die Zeit in Übersee. An den Kaffee, der neben deinem durchgefrorenem Iglu Zelt, die einzige Wärmequelle zu sein schien, die neuseeländische Wildnis zu bieten hatte? Für diesen Moment, interessiert uns nur die Bohne! Es ist die salonfähigste Droge der Neuzeit. Koffeinhaltiges Schwarz, dass müde Menschen munter macht und geölt in den Tag treibt. Die Wärme einer vollen Kaffeetasse spendet Kraft und mütterliche Geborgenheit, in den verschiedensten Formen und Farben. Zwei ganze Bohnen wachsen an einem feuchten Strauch Yirgacheffe in Äthopiens Hochland, bevor sie durch Kinderhände auf den Containerschiffen unserer Erde landen. 35 davon feiern Wochen später in einem Straßenkaffee an Neuseelands Ostküste ihr koffeinhaltiges Latte Macchiato Finale. Dan öffnet die Tür zu seinem bescheiden Kaffee vor Sonnenaufgang. Es sind über 500 Kaffeekombinationen, die in den nächsten Stunden über die Fensterbank an ausgesurftes Publikum gereicht werden. In den verschiedensten Kombinationen ist Milch für die Klassifizierung der koffeinhaltigen Heißgetränke zuständig. Von kaltgepresstem Espresso über entfetteten Milchkaffee ist es letztendlich der Filterkaffee von Mutti, der unserem Barista ein Lächeln auf seine zu schmalen Lippen zaubert. Es ist die Leidenschaft zur Einfachheit und imperfekten Tätowierungen, die seinen Kaffeegenuss bestimmen. Es ist die allmorgendliche Priorität eines surfenden Kaffeeliebhabers, der selbst auf einsamen Surfexpiditionen im Nirwana, Wert auf richtige […]

MARGARITA

Wir haben eine Abschiedsparty geschmissen und mit etwas Verkleidung fuer unkommerzielle Oeffnungszeiten gesorgt. Dafuer haben wir die Leute eingeladen, mit denen wir die letzten vier Monate, die meiste Zeit verbracht haben. Natuerlich kamen auch deren Freunde, die wir seit dem vierten Margarita in dieser Nacht zu unserem engsten Freundeskreis zaehlen. Von nun an ist es an der Zeit auf fremden Computern zu schreiben und das Altbewaehrte zurueck zu lassen. Dafuer habe ich ein paar Tshirts zerrissen und eine Box mit vergangenen Anhaengseln bei genau diesen Freunden gelassen. Ich habe meine vollgepinkelten Neoprenanzuege neben die neuen Wintermodelle in meinem Surfshop gehangen und meine alten Bretter unter der Theke an die Kunden verkauft, die ihnen wieder die Aufmerksamkeit zukommen lassen, die ich ihnen nicht mehr bieten konnte. Mit aller Kraft haben wir versucht in die untersten Reihen der Supermarktregale zu greifen, um endlich die finanziellen Fruechte zu ernten, die sich Ersparnisse nennen. Alles fuer Tastaturen ohne Umlaut und ein Leben auf der Strasse, das uns davor […]

TOURIST

Du hast vier Kilogramm zu viel in der Tasche, die dich davor bewahrt haben verlustbringende Entscheidungen zu treffen. Du hast eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen und eine genau Vorstellung davon, wann du zurück sein möchtest. Du wählst den Check-In an dem eine gut geschminkte Flugbegleiterin mittleren Alters über jugendliche Witze lachen könnte und hast mit der Statusmeldung bis zum Flughafen gewartet: Santiago de Chile. Ohne Ausrufezeichen. Das klingt interessanter für die Menschen, die dein Leben nur über Facebook verfolgen. Vierunddreißig Menschen gefällt, dass du viel zu früh auf deinen Flieger wartest. Du hoffst darauf, dass dich die zufällige Platzierung deiner Boardkarte mit der schönen Brünetten bekanntmacht, die sich gerade etwas Deodorant unter die Achselhöhlen sprüht. Endlich geht die Reise los, von der du die letzten Monate nur erzählen konntest. Du hast dir eine zehn Megapixelkamera gekauft und immer noch keine Ahnung, was das eigentlich zu bedeuten hat. Im Internet sagen sie, du sollst nicht gegen die Sonne fotografieren und bei Regen den Blitz einschalten. Du sitzt jetzt endlich im Flieger neben einem Pärchen mit gleichfarbigem Nackenkissen. Es ist ein langer Flug. Du schaust True Romance und findest, dass das ein guter Film ist. Du bestellst das Hühnchen mit den gedampften Bohnen und fragst, ob du das Dessert gegen etwas mehr Kartoffelbrei eintauschen könntest. Du fühlst dich lebendig und erlaubst dir eine kalorienhaltige Spirituose, weil in dem Land deiner Zieldestination bereits die Sonne untergeht. Du sitzt am Fenster und bittest das Pärchen zum zweiten Mal um Entschuldigung, da du nach Gin und Tonic immer so oft auf die Toilette musst. Dann nickst du weg und träumst im Halbschlaf von dem Adele – Konzert, dass du letzte Woche durch ein Radiogewinnspiel besuchen durftest. Irgendwann bist du dort, wo dich keiner kennt. Du nimmst dir ein Hotel in Halbpension, weil du dir zumindest um die Mittagszeit etwas […]

ATTRAKTION

Und dann lädt der Touristendampfer uns für zehn Dollar auf dieser Insel ab. Es ist ein Ticket ohne Rückfahrkarte, weil die letzte Fähre schon vier Uhr ablegt. Jetzt ist es kurz vor eins und wir haben eine gute Stunde Fußmarsch vor uns. Sagt zumindest der Mann mit der Kapitänsmütze, der sich gerade einen vier Jahre alten Malibu aus der Minibar nimmt. Ein paar Chinesen fotografieren von Board und verstehen die westliche Welt nicht mehr, als wir mit ein paar Süßwasserkanistern eine Insel ohne Sehenswürdigkeit betreten. Hier wachsen Wälder ohne Wanderwege, die den Schauergeschichten der Festlandbewohner etwas Glaubwürdigkeit entgegenbringen. Dichter Pinienwald grenzt unfranzösisch an tiefblaues Wasser und die dazwischenliegenden Sandstrände. Mario hat einen Kompass und wir beginnen zu laufen, während sich die Mittagssonne langsam unter unsere deutsche Haut brennt. Das Betreten des Waldes ist verboten und nicht einmal auf die eigene Gefahr beschränkt. Ein paar erzählen von Fallen, die von eifrigen Cannabisbauern unsichtbar im Gestrüpp verteilt wurden, um Surfer davon abzuhalten durch das Dickicht abzukürzen. Andere von Wildschweinen, die groß genug sind, um vorm Lagefeuer für Aufmerksamkeit zu sorgen. Zu Letzt wäre da noch die Küstenwache, die unsere Feiertagsexpedition in übermäßige Länge ziehen könnte. Doch wir erliegen dem Reiz des Verbotenen und folgen schwitzend im Schatten der Pinienbäum bewachsenen Zeichen der Zivilisation. Bis zwei Uhr müssen wir an die Nordwestseite der Insel gelangen, um ozeanische Schönheiten anzutreffen, die sich nur bei niedriger Tide zeigen. Mario ist Barfuß und überquert scharfe Steine und Dornenbüsche wie ein Spartaner, schafft es aus Stolz aber nicht nach den Sandalen zu fragen, die Pippa in ihrem Rucksack mit sich herumträgt. Nach einer guten Stunde müssten wir den Wald eigentlich schon längt verlassen haben. Alle bleiben cool und lassen sich Gedanken natureller Orientierungslosigkeit nicht anmerken. Mein abwechslungsreiches […]

MAVERICK

Mir wird es zu bequem am Mount. Ich möchte mich vom Leben zeichnen lassen und damit aufhören mir zu teuren Schinken auf mein Frühstücksbrot zu schmieren. Seitdem ich vierundzwanzig bin, ist jeder jünger. Nicht das ich in der Blüte meines Lebens einen Gedanken daran verschwende irgendeines der vergangenen Jahre noch einmal erleben zu wollen. Dafür arbeite ich zu hart am Maximalen, damit die Falten des Mannes, der ich einmal sein möchte mehr erzählen als unterbezahlte Überstunden und kultivierter Zigarettengenuss. Mittlerweile ist es so heiß, dass man nachts nur noch im Spannbettlaken von einem noch besseren Leben träumen kann und ich mir nach jedem Nebensatz den Schweiß von der Stirn wischen muss. Dafür surfe ich endlich in Badehose und kann unangezogen ungezogene Dinge tun. Nicht was du denkst! Von literarischer Selbstbefriedigung wird man blind. Dennoch hat es gefehlt, das Erlebte in Zeichen zu setzten, die nur ein Deutscher versteht. Auch wenn ich mich auf der Südhalbkugel in gewohnter Manier von meinesgleichen abzugrenzen versuche. Bei zehn Stunden Surfboardverkauf, war neben den morgen und abendlichen Surfeinheiten einfach kein Platz für die Einsamen unter den Momenten. Sobald man in einem Straßenkaffee zur Mittagspause sein eigenes Wurstbrot auspacken darf, wird das Leben zu komfortabel. Man genießt Abendstunden mit der surfenden Entourage und vermeidet Blickkontakt mit den Frauen, die nur in kleinen Gläsern wie große Fische wirken. Deswegen verfrachten wir unser Leben wieder hinaus auf die Straße. Deswegen geben wir am ersten […]

SIEBZIGSTUNDENWOCHE

Ich habe Zeit und den Van so auf dem Mitarbeiterparkplatz geparkt, dass mich meine Chefin aufwecken kann, wenn wir aufmachen. Geplant hatte ich ausgesurft und fünf pünktliche Minuten später meinen arbeitsgegebenen Pflichten nachzugehen, als vertraglich vereinbart. Auf der Arbeit lache ich über WItze, die ich in meiner Freizeit nicht einmal einem Fünfjährigen unter den Schnuller schmieren würde. Viele lachen über meine überproportionalen Lunchpakete und meine leidenschaftliche Hingabe zu unmanierlicher Nahrungsaufnahme. Nach einer zu langen Nacht verstecken wir uns zwischen den Malibus vor unserer alkoholischen Altlast. Meine Chefin wäre sicherlich auch dabei, wenn sie nicht damit Beschäftigt wäre, in der Damenabteilung nach Kleidern zu suchen, die ihren […]

ANGEZOGENE ANZIEHUNG

Trivilaitäten sind so greifbar, wie die Frischmilch im Kühlregal. Trotzdem übersehen wir alles, was selbstverständlicher erscheint, als ein 76 jähriger in goldenem Speedo. Das ist natürlich gesund, sollte uns aber hin und wieder zum Nachdenken anregen. Dass es Internet im Moment nur im Happy Meal gibt, kann […]

Die wohl überbewertesten Dinge im Leben sind Champagner, Hummer, Fokus, Capbreton und Analsex. Fotos: Dominika Zielinska & Ian Anderson […]

VOYEUR

Wir sind zu spät für die freien Corona. Nicht weil wir uns gezwungen hätten der Gelassenheit wegen erst nach neun aufzukreuzen. Ich musste Jordan erklären, warum er seine Rostlaube nicht auf dem Rasen der Vermieterin nächtigen lassen könne und warum mich sein Unverständnis so sehr an mich erinnert. Wir verpacken die Geschichten der letzten vier Wochen in ein paar gedrehte Zigaretten und akzeptable Überspitzung. Ich trage ein paar neue Vans und den Ring, den ich Mario allmorgendlich von seinem Nachttisch stehle. Genügend Angriffsfläche für stichelnde Bemerkungen, die das Beste aus meiner Schlagfertigkeit herausholen. Ich zeige ihm unser neues Wurfzelt und das damit einhergehende Vorhaben für den neuseeländischen Sommer. Uns fehlen noch eine Axt und die Zusage des Wasserfotografen, um die Wildnisexpedition endlich mit Kugelschreiber in den nicht vorhandenen Kalender einzutragen. Natürlich ist er dabei, wie jeder andere dem ich unser Vorhaben bei Kaffee oder Bier illustriert habe. Doch habe ich in den sechs Jahren meiner Volljährigkeit gelernt, dass sich Prioritäten bis ins Detail unterscheiden und ich mir somit sicher sein kann, dass sich in Sachen gruppierter Zusammensetzung noch genügend Spreu und Weizen trennen. Er erzählt von ein paar durchreisenden Schwedinnen und durchtriebenen Nächten in Raglans Yotclub. Das stimmt mich zufrieden, denn hier gibt es nicht nur Nordeuropäerinnen, sondern auch inspirierende Abwechslung hinsichtlich meines tonangebenden Tatendrangs. Dazu noch arbeitsplatzbezogene Zusammentreffen mit den Menschen, die man auf Facebook gerne in seiner Freundesliste hätte. Viele davon sind bereits dabei das freie Corona auf dieser Party zu trinken, für die wir unberechtigter Weise auf einer Gästeliste gelandet sind. Es ist die Releaseparty eines Surfmagazines, das an der Ostküste alle ziemlich cool finden. Viele sind […]