TOURIST
Du hast vier Kilogramm zu viel in der Tasche, die dich davor bewahrt haben verlustbringende Entscheidungen zu treffen. Du hast eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen und eine genau Vorstellung davon, wann du zurück sein möchtest. Du wählst den Check-In an dem eine gut geschminkte Flugbegleiterin mittleren Alters über jugendliche Witze lachen könnte und hast mit der Statusmeldung bis zum Flughafen gewartet: Santiago de Chile. Ohne Ausrufezeichen. Das klingt interessanter für die Menschen, die dein Leben nur über Facebook verfolgen. Vierunddreißig Menschen gefällt, dass du viel zu früh auf deinen Flieger wartest. Du hoffst darauf, dass dich die zufällige Platzierung deiner Boardkarte mit der schönen Brünetten bekanntmacht, die sich gerade etwas Deodorant unter die Achselhöhlen sprüht. Endlich geht die Reise los, von der du die letzten Monate nur erzählen konntest. Du hast dir eine zehn Megapixelkamera gekauft und immer noch keine Ahnung, was das eigentlich zu bedeuten hat. Im Internet sagen sie, du sollst nicht gegen die Sonne fotografieren und bei Regen den Blitz einschalten. Du sitzt jetzt endlich im Flieger neben einem Pärchen mit gleichfarbigem Nackenkissen. Es ist ein langer Flug. Du schaust True Romance und findest, dass das ein guter Film ist. Du bestellst das Hühnchen mit den gedampften Bohnen und fragst, ob du das Dessert gegen etwas mehr Kartoffelbrei eintauschen könntest. Du fühlst dich lebendig und erlaubst dir eine kalorienhaltige Spirituose, weil in dem Land deiner Zieldestination bereits die Sonne untergeht. Du sitzt am Fenster und bittest das Pärchen zum zweiten Mal um Entschuldigung, da du nach Gin und Tonic immer so oft auf die Toilette musst. Dann nickst du weg und träumst im Halbschlaf von dem Adele – Konzert, dass du letzte Woche durch ein Radiogewinnspiel besuchen durftest. Irgendwann bist du dort, wo dich keiner kennt. Du nimmst dir ein Hotel in Halbpension, weil du dir zumindest um die Mittagszeit etwas […]
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