PROMINENT
(Unästhetische Ansehnlichkeitnach Acht)
Konstantin Arnold
PROMINENT
(Unästhetische Ansehnlichkeitnach Acht)
TICKET
Dieses Mal fliege ich gegen die Sonne meiner mitteleuropäischen Zukunft entgegen. Nicht aus Angst, man könnte mich in Singapur dafür dran kriegen, dass ich mit dreiundzwanzig einmal in den Pool gepinkelt habe, von dem Touristen bis heute einen fotowürdigen Ausblick genießen können. Mich reizen amerikanische Zollbeamte und das unbändige Angebot mittelamerikanischer Erwartungslosigkeit. Bis auf kurze Hosen und benutzte Luft aus Ventilatoren denke ich über Spielsachen nach, die mir in den Transitzonen zwischen Aukland – Tahiti – Los Angeles – Panama City – Lissabon und Frankfurt […]
MAVERICK
Mir wird es zu bequem am Mount. Ich möchte mich vom Leben zeichnen lassen und damit aufhören mir zu teuren Schinken auf mein Frühstücksbrot zu schmieren. Seitdem ich vierundzwanzig bin, ist jeder jünger. Nicht das ich in der Blüte meines Lebens einen Gedanken daran verschwende irgendeines der vergangenen Jahre noch einmal erleben zu wollen. Dafür arbeite ich zu hart am Maximalen, damit die Falten des Mannes, der ich einmal sein möchte mehr erzählen als unterbezahlte Überstunden und kultivierter Zigarettengenuss. Mittlerweile ist es so heiß, dass man nachts nur noch im Spannbettlaken von einem noch besseren Leben träumen kann und ich mir nach jedem Nebensatz den Schweiß von der Stirn wischen muss. Dafür surfe ich endlich in Badehose und kann unangezogen ungezogene Dinge tun. Nicht was du denkst! Von literarischer Selbstbefriedigung wird man blind. Dennoch hat es gefehlt, das Erlebte in Zeichen zu setzten, die nur ein Deutscher versteht. Auch wenn ich mich auf der Südhalbkugel in gewohnter Manier von meinesgleichen abzugrenzen versuche. Bei zehn Stunden Surfboardverkauf, war neben den morgen und abendlichen Surfeinheiten einfach kein Platz für die Einsamen unter den Momenten. Sobald man in einem Straßenkaffee zur Mittagspause sein eigenes Wurstbrot auspacken darf, wird das Leben zu komfortabel. Man genießt Abendstunden mit der surfenden Entourage und vermeidet Blickkontakt mit den Frauen, die nur in kleinen Gläsern wie große Fische wirken. Deswegen verfrachten wir unser Leben wieder hinaus auf die Straße. Deswegen geben wir am ersten […]
SIEBZIGSTUNDENWOCHE
Ich habe Zeit und den Van so auf dem Mitarbeiterparkplatz geparkt, dass mich meine Chefin aufwecken kann, wenn wir aufmachen. Geplant hatte ich ausgesurft und fünf pünktliche Minuten später meinen arbeitsgegebenen Pflichten nachzugehen, als vertraglich vereinbart. Auf der Arbeit lache ich über WItze, die ich in meiner Freizeit nicht einmal einem Fünfjährigen unter den Schnuller schmieren würde. Viele lachen über meine überproportionalen Lunchpakete und meine leidenschaftliche Hingabe zu unmanierlicher Nahrungsaufnahme. Nach einer zu langen Nacht verstecken wir uns zwischen den Malibus vor unserer alkoholischen Altlast. Meine Chefin wäre sicherlich auch dabei, wenn sie nicht damit Beschäftigt wäre, in der Damenabteilung nach Kleidern zu suchen, die ihren […]
ROM
Sicherheit ist ein komfortables Gefühl, das in der ersten Welt von oberster Priorität über unseren ungesunden Tatendrang urteilt. Sicherheit und teilnahmslose Zufriedenheit sind Gefühle aus denen noch nie eine Geschichte entstanden ist, die in unserem Umfeld für gespitzte Ohren und Anerkennung sorgen konnte. Warum arbeiten wir täglich an der Antwort, die uns offenbaren soll, was wir irgendwann einmal werden wollen? Warum nicht einfach Sein auf dem Weg zu den Zielen, die gelassen und definitionslos ein Recht darauf haben im Raum stehen zu dürfen. Reicht es nicht, die Wege zu kennen? Seit einer guten Woche bin ich nicht in der Lage, den Wünschen meines appetitträchtigen Gaumens nachzukommen. Kein Meersalz aus dem Himalaya, keine doppelt gepresstes Olivenöl, das ich doch so gut aus meiner Komfortzone kenne. Keine frisch gepressten Säften mit überteuertem Saisongemüse und ein neuer Van, dem eintausend neuseeländische Dollar fehlen, um als Straßentauglich verbucht werden zu können. Ich habe meine Ersparnisse aufgebraucht und erlebe wie unglaublich lebendig sich finanzielle […]
BRAVOUR
Ich will einfach nur diese Schlüssel. In den letzten Wochen habe ich vergebens auf Schrottreife Kombiwagen geboten, die ich eigentlich nicht brauche. Weil im Leben nichts ohne Sinn ist, weiß ich jetzt auch warum. Weil eine durchgeknallte Mutter mit fünf Kindern bereit ist meinen Nissan Spoiler gegen 1200 Dollar und einen vielversprechenden Mazda(rati) Van einzutauschen, der mehr bereithält als nur genügend Stauraum. Seit neun Uhr sitzen wir zusammengepfercht an einem Küchentisch und hören uns höflicherweise die Chronologie ihrer gescheiterten Beziehungen an. Unglücklicherweise sind da mehr Väter als es Kinder gibt und keine Aussicht auf das Wesentliche. In meiner rechten Hand halte ich eine Tasse löslichen Kaffee, der mich vor der Beteiligung dieses Gespräches bewahrt. Vor mir liegen zwei Formulare, welche die Rechte des Käufers auf den Verkäufer übertragen. Dank dieser muss Mario herhalten, als sie sich auf dem Weg zur Vitrine ein Stück Glas in den Fuß bohrt und uns auffordert das Utensil mit einer Bastelschere zu entfernen. Ich fülle mehr aus als mir zusteht und drücke ihr unter Schmerzen den Kugelschreiber in die Hände. Einen Druckverband später sitzen wir auf den Polstern des Mazda Bongos und betätigen die Zündung. Aus ironischer Vollendung startet unser mobiles Zuhause erst beim dritten Versuch, worauf ich final das schlechte Gewissen verliere, weil wir mein Gefährt für den doppelten Kaufpreis losbekommen haben. Ich rufe Jordan an und lass ihn wissen, dass wir seine Bilder mit nach Kuaotunu nehmen können. Hier wohnt Luke. Ein siebenundzwanzigjähriger Restaurantbesitzer mit Hang zur Kunst, den ich vor einigen Tagen bei einem Humusbrötchen in Manu Bay kennengelernt habe. Drei bis vier Fuß treiben uns in dieser Nacht in eine der unzähligen Buchten des Coromandel. Luke fährt den Allrad […]
PRÄSENZMOMENT
Ich wache auf. Meine Arme sind durch den anhaltenden Muskelkater kaum in der Lage, die Tastensperre meines Telefons zu entriegeln. Wir hatten gute Wellen die letzten Tage und genügend Zeit, dieses natürliche Angebot auszukosten. Irgendwann heute landet Mario auf neuseeländischem Boden. Die Nachricht auf meinem Telefon verrät mir, dass es genauer gesagt vor einer halben Stunde gewesen ist. Ich wecke Jordan auf, der im Zimmer nebenan insgeheim davon träumt auch an die Ostküste zu ziehen. Doch ist unsere Beziehung zu brüderlich, dass einer von beiden zugeben würde, den Weg des anderen gutzuheißen. Gestern habe ich ein paar Stunden in dem Laden verbracht, in dem er über den Sommer versuchen wird, deutschen Backpackern das Geld aus den Boardshorts zu ziehen. Nach zweistündigem Kaffeeklatsch und ein paar Stiefeln für die ich eigentlich noch nicht Manns genug bin, bucht er eine Lastschrift auf meine Kreditkarte. Ich habe die letzten Tage zuhause in Raglan verbracht. In dieser Komfortzone, in der das ganze Städtchen nach einer Viertelstunde Bescheid zu wissen scheint, gegen wen ich am gestrigen Morgen in einer Runde Backgammon verloren habe und wie viel Milchkaffe dabei im Spiel war. Es fällt mir schwer den Ort zu verlassen, der mich in den letzten vier Monaten mehr geprägt hatte, als eine deutsche Rheinmetropole, in welcher ich für die letzten vier Jahre meinen vernachlässigten Hauptwohnsitz hatte. Denn dem Hier und Jetzt wird endlich die verdiente Relevanz zugesprochen und Verabredungen in ganztägigem Voraus sind so unausstehlich, wie Reisebusse voller Backpacker. Deswegen bin ich pünktlich zwei Stunden zu spät, als ich Mario und seinen Jetlag auf dem Parkplatz des Auckland International Airports in mein fünfhundert Dollar teures Fahrvergnügen einlade. Direkt am nächsten Morgen klingelt der Tatendrang und ich präsentiere meine Komfortzone. Zur Begrüßung gibt es ein zwölf Fuß hohes Lagefeuer, deren Illegalität sogar die Feuerwehr beiwohnt und vier solide Fuß Indicators, die jegliche Erinnerungen an französische Saisonarbeit in den narrativen Schatten stellen. Wir klettern auf einen Berg auf der Coromandel Peninsula, um etwas Abwechslung in die wellendurchtriebene Routine zu bringen. Auf dem Gipfel […]
NARRATIV
Selbst nach dem vierten Carlsberg ist es immer noch der Hund der mir Gesellschaft leistet. Wir trinken auf das Ende der akademischen Normalität und sind im Marathon der Top100 Road Trip Songs mittlerweile bei 23 angekommen. Dieser überproportionale Fernseher macht mich krank, genauso wie der unmögliche Gedanke eine der vergangenen Prüfungen in den Sand gesetzt zu haben. Ich liege auf einem massiven Holztisch und verbrenne mir meine deutsche Haut, als ich zwischen dem dritten und vierten Carlsberg für eine halbe Stunde weg nicke. Wann kommen die Jungs? Eigentlich wollte ich in trauter Gemeinschaft jede einzelne Seite meiner überaus strebsamen Mitschriften in Flammen aufgehen lassen. Es ist Mittagszeit und vor mir liegt die Freiheit und ein verlängerter Festivalnachmittag, der in gestalterischen Fragen in völligem Kontrast zur sorgsamen Verzierung meiner volkswirtschaftlichen Vergangenheit steht. Kurz bevor ich mich entschließe nach dem sechsten Carlsberg eine Pause zu machen, hält endlich ein Auto in unserer parkplatzgroßen Einfahrt. Vier stattliche junge Männer steigen in Begleitung einiger Corona Kisten aus einem nicht der redewerten Kleinwagen und strahlen voller Ambition, als hätte sie denselben Grund zu feiern. Wir ziehen die Partyhüte auf und springen in den viel zu kalten Pool. Ein Stück […]
Dass Berg und Tal nah bei einander liegen, ist mir fremd! Dass Berg und Meer so nah bei einander liegen, neu. Dass Pfarrhäuser vogelfrei zur Untermiete bereitstehen suspekt. Dass sich ein Spot an den anderen reiht,überfordert mein kontinentales Bewusstsein. Taranaki hat sie alle. Dreifaltigkeit auf Schnee, Wasser und Asphalt. Wir verbringen einen ganzen Tag in einem Dorf mit nur einer Straße, die meer zu bieten hat als die Empfehlungen europäischer Städteführer. Wenn du willst, kannst du hier alt werden. Wenn du das nicht willst, ist das auch okay.
SETZ DICH!
Als ich das Hauptgebäude verlasse, ist es windig und eigentlich schon viel zu spät. Die meisten meiner Kommilitonen verlassen mit zielstrebiger Miene den Campus, um das Geplante zu erleben. Ein paar chinesische Austauschstudentinnen versuchen vergebens ihre Frisur ins Wochenende zu retten. Es ist Freitag auf dem Campus der Waikato Universität und ich bin völlig übermüdet. Erst seit letzter Nacht bin ich von der Ostküste zurück. Ein tropischer Wirbelsturm hat mich durch Zufall mit dem Ort bekannt gemacht, an dem ich zumindest für einige Wochen meinen neuseeländischen Sommer verbringen werde. Den Umständen entsprechend ist mein fünfhundert Dollar teures Fahrvergnügen noch vollstens ausgestattet, wenn es um die Verwirklichung spontaner Gefühle geht. Jordan trägt noch immer einen Moonboot und lediges Benzingeld kann ich mir nicht leisten. Ich wähle die Nummer der dänischen Jurastudentin und muss einige meiner überzeugenden Argumente durch die windige Telefonleitung brüllen, um zu verdeutlichen, dass es mir um Charakter anstelle der Tankfüllung ginge. Dann willigt sie ein, fünf Stunden Fahrt durch insulanes Mittelgebirge auf sich zu nehmen, ohne dabei natürliche Kulisse und Tageslicht genießen zu können. Mir bleibt eine gute Stunde, bis sie ihre Meinung ändern könnte.Auf dem Weg zu den Patersons sind Gelb grün und einige Geschwindigkeitsbegrenzungsschilder inakzeptabel. Neben meinem dreißig Dollar Müsli schnappe ich ein paar gewachste Back Up Bretter und erkläre Mrs. Paterson, dass ich nicht zweimal lebe. Der Forecast ist gut, aber kaum Grund für meine Reise. Vielmehr möchte ich die richtige Wahl treffen, wenn ich im Laufe der nächsten Woche mit der Personalabteilung des Backdoor Surfshops spreche und ihnen saisonale Treue schwöre. Deswegen fahren wir nach Gisborne!Die Fahrt ist lang. Drei Milchkaffees, zu viel Joe Cocker und die Analyse ihrer unmoralischen Fernbeziehung zäheren die letzten Kräfte aus meinem volkswirtschaftlichen Bewusstsein. Dafür schmeißt sie während der Fahrt ein paar Zigaretten und überzeugt mit trockenem Humor, der sich auf ein bescheidenes Englischvokabular stützt. Gegen Mitternacht passieren wir das Ortseingangsschild! Trotz dieses unerträglichen Hungergefühls erklärt mir mein Bauch, dass das nicht der Ort sein wird, an dem ich einer 25 Stundenwoche und 28 Grad Durchschnittstemperatur entgegenblicke. Wir finden einen chinesischen Schnellimbiss mit grässlichem Licht und unmotivierten Mitarbeitern russischer Herkunft. Sie kratzen die letzten Feierabendreste zusammen, um zumindest annähernd die Beschreibung der Speisekarte zu treffen. Das grelle Licht offenbart mehr als nur Hautunreinheiten der letzten drei Jahre und treibt uns schließlich nach draußen. Der deutsche Wunsch: unsere Mahlzeit mit einem importierten Bier erträglicher zu machen, verstärkt sich. Unverständliche Öffnungszeiten und Alkoholverbot auf neuseeländischen Straßen treiben uns in den Raucherhof einer Spielkneipe, die neben spielsüchtigem Ambiente und dörflicher Depression zumindest einen Campingtisch und kühles […]