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BYND

Konstantin Arnold

URLAUB

Ich habe Zeit. Zum ersten Mal nach vier Monaten kann ich das Angebot der Wurstfachverkäuferin annehmen und die Dinge probieren, bevor sie mit kommerzieller Hingabe eingetütet werden. Ich versuche alles zu machen, von dem ich denke, das man es so tut, wenn man Urlaub hat. Ich lasse mir den Bart schneiden und mache ein Windows 10 Update. Ich treffe Freunde zur Mittagszeit und kann in jugendlicher Gelassenheit auch einfach die nächste Bahn nehmen. Eier mache ich ohnehin nur nach Bauchgefühl, weil meine Zimmerpflanze ohnehin nicht mehr zu retten ist. Ich schaue einen Tatort im Ersten und erfahre von den Tagethemen, dass es Charlie Sheen zu weit getrieben hat. Bei Günther Jauch erzählt Guido Westerwelle von seiner Krankheitserfahrung und ich werde für eine halbe Stunde zum Hypochonder, weil mein Kopf ohne Aufgabe nicht arbeiten kann. Nichtstun sollte bezahlt werden. Jede einzelne Minute. Bis zum nächsten Mittwoch, auf den ich mich freue wie auf Weihnachten und Victoria Secret Fashion After Show Parties zusammen. Eigentlich bin ich so aufgeregt, dass ich im Moment nur mit zwei Tassen Glühwein einschlafen kann. Simon aus München, Jordan aus Wales und mein brüderlicher Vormund aus dem Osten. Alle meine Freunde freuen sich mit mir. Nur wo ist Adventura? Irgendwo zwischen Litauen und deutschen Zollbeamten? Eigentlich sollte die Lektion auf Zeit spätestens morgen auf dem Vulkangelände eintreffen. Ungeduld ist keine Tugend, sondern eine Mammutaufgabe! Deswegen steige ich in den Zug nach Düsseldorf, um die Gesellschaft und den Glühweinstand zu wechseln. Ich schlafe in einer unpersönlichen Wohnung, die sie sich mit ihrer Minimalität teilt. Alles ist weiß, bis auf das selbstgemalte Bild ihres Vaters. Die Fenster gehen bis zum Boden und das Geländer davor wirkt mithilfe des Innenhofs wie ein Pariser Postkartenmotiv. Wir bestellen uns Ente in Kokosmilch und grünem Curry. Der Duftreis hat jedenfalls nicht daran Schuld getragen, dass ich den Rest der Nacht auf einer weißen, minimalen Toilette verbringen durfte. Immer in Begleitung eines laufenden Wasserhahns, um der Geräuschkulisse ihre Eindeutigkeit zu nehmen. Irgendwann wird heute zu einem sonnigen Morgen. Weil ich vor zehn nicht schon Glühwein trinken kann, wollen […]

TACHELES

Ich liege in einem unpersönlichen Hotelzimmer in Dresden. An der Wand hängt ein weißer Fernseher durch den ein Lagerfeuer im Winter und ein Aquarium im Sommer etwas digitale Gemütlichkeit ausstrahlen soll. Das Frühstück ist wie immer zu früh, die Eier zu hart und der beste Aufschnitt vor zehn schon vergriffen. Gestern haben wir überteuerten Whiskey aus schweren Gläsern in der Hotellobby getrunken. Ich habe einen schwarzen Mantel getragen und kam mir bis zum zweiten Glas blöd vor. Mit einer soliden deutschen Erkältung und unbekannter Gesellschaft. In leeren Hotellobbys kann man nach Mitternacht problemlos entscheiden, wer man eigentlich sein möchte. Unbefangen und ehrlich. Weil man morgens schon los muss und sich im Kern der Unterhaltung die Möglichkeit gibt, sich auf das Jetzt zu beschränken. Auch wenn meine Nase läuft, weil ich erst das nächste Mal Meersalznasenspray gegen medizinische Chemie eintauschen werde. Die letzten vier Tage haben wir nur Pizza gegessen. Irgendwo zwischen Süddeutschland und Österreich. Irgendwann zwischen Filmvorführung und zu kurzen Mittagspausen in autobahnnähe. Unterwegs sprechen wir über Flüchtlingspolitik und vorgetäuschte Orgasmen. Das sind Voraussetzungen zum Wohlfühlen. Für den Rest sorgen vorgedruckte Willkommensgrüße und systemgeformte Freundlichkeit. Innsbruck ist schön. Der Vorarlberg auch. Die Klosterzimmer in Bregenz sind zu klein und die Klassenfahrt zum Ferienende gehört in Rosenheim zur Inneneinrichtung. In Berlin habe ich männliche Gewinnspielmode mit Stretch an eine kräftige Besucherin verteilt und in Freiburg entdeckt, wie lustig es ist Kinder auf einer Bühne zu haben. Ich habe den Schlüssel für das Einzelzimmer in München immer noch in der Tasche, aus der ich gerade lebe und musste mir der Professionalität wegen eine zweite Hose […]

DANKE

Gerade bin ich 25 Jahre alt geworden und habe dafür 87 Gratulationen auf Facebook erhalten. Unterstützt von vielen Freunden, ohne die dieses Vorhaben nie möglichgewesen wäre, habe ich ein Jahr unterwegs verbracht und die Dinge aufgeschrieben, die man normalerweise auf Instagram veröffentlichen würde. Dazu habe ich Texte verfasst, voller Vorfreude jeder Farbfotoentwicklung entgegengefiebert und mich gefragt, wo eigentlich zu Hause liegt? Dort, wo man die Hand voll guter Freundschaft mindestens einmal im Jahr zur kostenlosen Maniküre bringt? Oder dort, wo man dieses handschriftliche Dankeschön eh nicht versteht? Wo liegen also die Gründe, die eine kleinstadtgroße Zahnlücke dazu bringen, nicht genau dort an seinen Falten zu arbeiten, wo der Zufall von Geburt ihn hingeworfen hat?
Deswegen lieben wir Literatur. Präzise aufgereiht in einem schweren Holzregal erzählt sie von der Vielzahl des Repertoires. Von Gegensätzlichkeit und fehlenden Stereotypen. Von langen Nächten in kurzen Geschichten. Über Los Angeles und Neuseeland nach Australien und Mittelamerika sprechen wir Erfahrungen jedem zu, der sich für unbelesenes Erleben begeistern kann. Durch Wälder ohne Wanderwege mit keinG und kaum Guthaben, auf denen ich versucht habe meine Haare noch einmal so lange wachsen zu lassen, bis ich doch nochmal aussehe, wie der Australier, der ich eigentlich nicht bin. Deswegen 34 Geschichten und Bilder, für die mir die Worte fehlen. Fotografiert auf 35 mm Negativfilm und durch die Linsen zweier analoger Kameras, für die ich weniger zahlen musste, als für eine akzeptable Farbfotoentwicklung. Vielleicht ist das Gras deswegen nicht so grün, wie es aus filmreifer Idealvorstellung eigentlich auszusehen hat? Vielleicht geht es darum, wie Dinge sind und nicht wie sie sein sollten? Weil man Erfahrungen jedem zuspricht, der sich für unbelesenes Erleben begeistern kann! So wie Luke und dem Layout. Meiner Mama und den Wurzeln. Steffi, Sabine und Erik für die Kommas. Und (Komma?) um dem dankbaren Nagel auf den Kopf zu hauen: Danke denen, die mich ausgehalten haben für den Inhalt! All jenen, die mich ermutigt haben, das Wort Weltenbummler in seine unerträglichen Einzelteile zu zerlegen und schlussendlich der Erfahrung, dass es im Leben um die Menschen geht und nicht nur ums Essen.

PROSA

Zuhause. Im Thüringer Wald kann man eigentlich nur auf Fragen antworten, die so eigentlich gar nicht gestellt wurden. Auch das filmreife Leben, von dem ich träume, seitdem ich mit fast 16 mein erstes Surfmagazin im Presseshop am Markt nicht bis zum Ende durchblättern durfte, beschränkt sich gerade auf die Kulinarik der Provinz. Urlaub machen ist wohl eine der schwersten Beschäftigungen seit es Arbeit gibt. Gestern habe ich das alte Wachs von meinen Brettern abgezogen, weil ich finde, dass sie so besser aussehen, wenn sie in einer meiner Zimmerecken auf ein neues Reiseziel warten. Heute gibt es wolliges Familienprogram, das sich wie die Festzelttournee einer regionalen Coverband durch die umliegenden Dörfer schlängelt. Für ein paar Stunden ist dann früher alles besser, alles größer, alles härter. Da ist man noch bergauf in die Schule gelaufen, hin und zurück! Nach dem Rührei bei Oma und der Hühnerfrikassee meiner Tante frage ich mich, ob Jordan heute in Wales gelandet ist? Auch wenn ich schon zwei Wochen früher fliegen musste, bin ich mir sicher, immer noch brauner zu sein als mein walisischer Bruder. Bis auf den Zahnarzttermin habe ich alles gemacht, was man so tut, wenn man in Deutschland ist. Ich bin mit meinem Skateboard ein paar Berge herunter gefahren und habe mir vorgestellt, ich surfe Asphalt. Ich habe mich für ein Lokalblatt vor einer historischen Burg mit meinen Surfbrettern ablichten lassen und nach dem vierten Bier entschieden morgen in einer Bar aufzulegen, obwohl ich eigentlich nur Bonnie Tyler kenne und keine Ahnung habe, wie man Übergänge fließend einbaut. Das lasse ich einfach Benjamin machen. Ich bin einfach überdurchschnittlich braungebrannt und drehe alle fünf Minuten talentiert am Lautstärkeregler. Verdammt, das macht Spaß. Dachte ich zumindest gestern, als zu der Facebook – Veranstaltung erst drei Leute zugesagt hatten. Heute will ich mich in dem Baggersee ertränken, den ich eigentlich mit einem braunhaarigen Mädchen besuchen wollte, die sich an diesem Nachmittag sicher in mich verliebt hätte. Leider hatte sie mir kurz vorher abgesagt und so habe ich mir den viel zu teuren spanischen Käse zusammen mit dem viel zu teuren italienischen Weißwein einfach mit meiner Mutter schmecken lassen. Schon nach dem Editorial des Surfmagazins mit fast 16 habe ich mir geschworen mein Herz auf der Zunge zu tragen und mir von niemandem vorschreiben zu lassen, wie mein Hase eigentlich zu laufen hat. Peinlich ist mir eigentlich auch nichts bis auf Interviewaussagen, die ich so nie gesagt habe. Deswegen sitze ich jetzt mit meinen vier getrunken Schwarzbier am Gartentisch und versuche dem Redakteur seine kleinen, aber entscheidenden Tippfehler zu verzeihen. Weit aus dem Fenster lehnen kann ich mich eh nicht, nachdem ich gestern das auf Rechtschreibung korrigierte Skript meines Buches in den Händen gehalten habe. Ich glaube es wäre einfacher gewesen, wenn sie nur die Stellen markiert hätte, an denen sich keine Fehler finden. Dann überarbeite ich und schreibe E-Mails bis ich nicht mehr sitzen kann. Jetzt geht es meistens darum, die Energie rauszulassen, die ich normalerweise mit acht Stunden Surfsport in pure Freude umwandeln konnte. Zuhause ziehe ich Bahnen in deutschen Freibädern, skate ausgestorbene Skateparks und mache nach dem Aufwachen heimlich ein paar Liegestütze. Alles an einem Tag. Genau wie dieses Festival, das ein paar Freunde auf einer durchnässten Ackerwiese veranstalten und somit 1800 Menschen zusammenbringen, die auf vergangenen Kleinstadtparties oder in der Grundschule mal miteinander geknutscht haben. Das war ein Highlight, aber ein neues Profilbild habe ich nicht […]

Die jugendfreien Highlights der Wachs Release Party in Köln

Superacht beim ersten Date 

Superacht beim ersten Date 

EIN BEITRAG ZUR ADOLESZENZ

acht Euro verteilt auf drei junge Männer bietet jedem von ihnen ein relativ bescheidenes Repertoire an kreativen Möglichkeiten. schließt man sich jedoch zusammen, eröffnen sich auf Flohmärkten gänzlich neue Spähern und das Unerreichbare scheint urplötzlich greifbar. trifft man in charmanten Verhandlungsgesprächen dann noch den richtigen Tonus der Marktleiterin, ist man kurz davor ein Plüschpferd bis auf die acht Eurogrenze zu reduzieren. ein Pferd mit Vorgeschichte. ein Pferd, das einst in Kinderzimmern auf den Namen Julia hörte, wird nun anonym durch dicht gedrängtes Partypublikum gedrängt. kaum einer von uns wusste, wie man mit einem Pferd umzugehen hatte, wobei ich von minimaler Vorerfahrung zehren konnte, die mir abgesehen von meinem Heimweg, zugutekam. der letzte musste den Gaul sicher nach Hause bringen. das bedeutete Fragen, Fotos und viel Humor in einer Phase des Abbaus. in einer Phase, in welcher man seine im Nachtleben verlorengegangenen Freunde verflucht, weil Pferdewitze minimal in zweier Gruppen zu verkraften sind. dann steht man da. es regnet. fünfuhrdreißig am Barbarossplatz mit einem Plüschpferd auf den Schultern. zuhause angekommen hat man noch zwei Gedanken. erstens stellt man das Pferd vor die Zimmertür seines new yorker Mitbewohners, der am nächsten Morgen laut losschreien wird, weil er im Halbschlaf Hunde fürchtet. und zweitens die Frage, ob diese pubertäre Leistung unserer Hormone nicht doch etwas fragwürdig sein könnte. die Antwort ist nein, weil die Frage: warum hast du kein Pferd? von originellerer Berechtigung […]

ZOO