Menü

BYND

Konstantin Arnold

KOLONIAL

KOLONIAL

Wir kamen als Liebespaar auf die Blumeninsel und wollten die Blumeninsel als Liebespaar wieder verlassen. Ein paar Tage Urlaubsstreit und die Suche nach unserer portugiesischen Riviera. Die Insel eignet sich hervorragend für Verliebte. Alles ist sehr grün und sehr blau und sehr schön und das Schöne ist, dass es hier nichts Schönstes und Größtes und Erstes gibt. Die Insel kommt ohne Attraktionen aus. Hat keine Superlative nötig. Sie ist und das ist einfach schön. Man muss nur leichte Weine trinken, Blumen pflücken, die Attraktionen in sich tragen. Es gibt keine Eiffeltürme, Petersdome, Kolosseen. Keine bedeutenden Kunstsammlungen, von denen wir gehört hätten. Nur wurde ihr  von den vielen Kurven ganz schlecht und sie meinte, ich solle die Kurven doch bitte gerader fahren. Es musste so kommen und wir hatten es kommen sehen. Man sieht es immer kommen, kennt die Vorzeichen, fragt sich, wie das nur möglich ist, kann sich aber nicht entziehen und wird von einer unsichtbaren Kraft in den Abgrund gezogen. Man verschwendet seine Zeit nie, solange man sie ehrlich miteinander verbringt, aber wenn man aufeinander wütend ist, ohne etwas zu sagen und sie dann noch das letzte Stück Melone isst, ohne zu fragen, will man umfallen oder sich ins Meer stürzen. Man spricht miteinander und denkt sich zu verstehen, aber versteht nur sein eigenes Gefühl, das man dem anderen unterstellt, aber lassen wir das. Jeder weiß, wie ein Urlaubsstreit funktioniert, wenn alles um einen gut ist und unschuldig blüht. Einziger Unterschied: eine Portugiesin sucht hinter ihren Beschwerden nicht nach Lösungen. Der Deutsche streitet resolutionsorientiert.Ein gutes Essen und Wein und alles ist wieder gut. Man kann sich wieder entspannen und verpasst nichts, wenn man sich entspannt. Man kann mit gutem Gewissen auf den Felsen am Meer liegen, schwimmen gehen, wie verrückt oder bunte Früchte im Liegen essen. An unserem ersten Tag schauten wir, vom Bett aus, einer Gardine beim Wehen zu. Das war alles. Es war ein halbdurchsichtiger, weißer Schleier aus Fantasie, der sich zwischen uns und dem Ausblick bewegte. Durch die Gardine sah man auf den Balkon und vom Balkon durch den Blumengarten hinaus aufs Meer. Die Gardine wehte wie eine Filmszene hinter der stolze Palmen standen und das Blau des Himmels war und ein Horizont so weit und gerade, wie wir ihn noch nie zuvor gesehen hatten. So stelle ich mir das Paradies vor. Die Ewigkeit. Ein lautlos wehender Vorhang, der von einer Prise bewegt wird, die einen trocknet, nachdem man sich von einem bestimmten Gefühl befreit hat. Man macht sich frisch, cremt sich ein, sieht gebräunt aus und setzt sich auf die himmlische Terrasse des Reids Palace Hotels. Einmal im Leben muss man, an einem Nachmittag, auf dieser Terrasse gesessen haben. Nur nicht zum Afternoon Tea, von halb vier bis halb fünf. Das ist einfach eine Stunde, in der man nicht rauchen darf und Tee trinken muss und sich komisch verhält. Alle anderen Stunden auf dieser Terrasse sind selige Stunden und man wird sie von da an immer mit sich herumtragen, egal wo man sitzt. Man wird sich erinnern, wie man nach einem getanen oder nicht getanen Tag, ohne Stress, ohne Verabredungen auf dieser Terrasse saß und sich treiben ließ, von dem, was ist und sein wird und mit dem Aperitivo auf seine Freundin wartet, der sich naturgemäß etwas länger frisch machen muss. Es ist ein wunderbares Gefühl mit dem Aperitivo auf einen Menschen zu warten, den man liebt. Man sieht die Schiffe kommen, auf sich zu, schreibt was auf, erfährt von Duarte und Capela, den Barmännern des Hotels alles über die besten Restaurants und den frischesten Fisch und den neusten Tratsch. Die Wolken sind immer da, sie kommen vom Berg oder verfangen sich dort, aber sie tun einem nichts […]