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BYND

Konstantin Arnold

FREIHAUS

Gestern Abend habe ich mir per Express mehr Socken bestellt, als ich überhaupt tragen kann, weil zwischen Ankunft und Abreise kaum noch ein schonender Waschgang passt. Auch nicht mit Trockner oder Geschwindigkeitsüberschreitung auf dem Weg nach Frankfurt. Frankfurt-Hahn, weil falsch gebuchte Flüge zu einem Missverständnis gehören, wie gut gemeintes Bruschetta, zu dem du eigentlich keine Oliven wolltest. Deswegen sitze ich jetzt im dritten Mietwagen der laufenden Kalenderwoche und bin froh, dass der FFH 80’er Jahre Marathon heute noch bis nach Mitternacht geht. Eigentlich rauche ich nur, um mir alle 100 Kilometer ein kleines Highlight gönnen zu können und hoffe, dass meine Rückenschmerzen nur von den Brettern der Flughafenbestuhlung kommen, die für mich heute Nacht noch Bett bedeuten. Transitzonen kennen sowieso keine Tageszeiten und sind bis auf die Senator-Lounge eigentlich auch immer gleich hell. Morgen ist, wenn die Zeitungsverkäuferin diese Sonntagszeitung auspackt, in der es unser Israelerlebnis irgendwie zur Titelgeschichte des Reiseteils geschafft hat. Und auch, wenn in 2500 Kilometer Entfernung eine schwarze Limousine darauf wartet, mich und meine neuen Socken in ein portugiesisches Hotel zu fahren, habe ich immer noch nicht das Gefühl, dass hier irgendetwas ernst ist. Erstens ist die Definition von Limousine ziemlich weitläufig und zweitens klingen die Dinge immer schöner, als sie sich anfühlen. Außer auf Italienisch. Hinter dir ein Rollkoffer, vor dir nichts als Ungewisses. Ein Reisepass als Insignie ausgekosteten Lebens. Gestempelte Erfahrungsbescheinigung zwischen dem Hier und dem immer noch nicht da. Ja, Flugtickets verpacken das Leben in absehbare Appetithappen, die durch ihre zeitliche Begrenztheit für ordentlich Wertschätzung sorgen, aber zwei Jahre zwischen altem Kinder- und neuem Hotelzimmer sollten reichen. Und außerdem gibt es für Flüge nach Israel gar keine Stempel. Ja, ich weiß, wo man am Flughafen Frankfurt direkt neben einer Steckdose guten Kaffee trinken kann oder warum es sich lohnt in Singapur sein eigenes Gepäck verloren gehen zu lassen. Aber dafür den vierten Advent in einem Starbucks verbringen zu müssen, steht wegen liebloser Fließbandfreundlichkeit außer Frage. Wenn sich Arbeit und Freizeit nicht unterscheiden, fühlt sich Freizeit wie Arbeit und Arbeit eigentlich immer wie Freizeit an. Oder, um es noch verwirrender zu sagen: man muss nie wirklich arbeiten und man hat nie wirklich Freizeit. Jeder Tag fühlt sich wie ein Freitagvormittag an und man beginnt sich zu fragen, ob man alles auf diese Karte setzen möchte, die man gerade auf Hochgeschwindigkeit spielt. Was willst du? In Zukunft? Gut gebräunt sein! An einem Ort, an dem man nicht weiß, wann der Bus fährt. An dem dir an der nächsten Ecke die leere Brieftasche geklaut werden kann und du im Supermarkt mit der nächsten Liebe deines Lebens zufällig zur gleichen Kohlrabi greifst. Femme fatale! Gekleidet in Weltgewandtheit und etwas zu sexy für die Gemischtwarenabteilung. Apart, Expat oder was auch immer! Ich habe wieder zu träumen begonnen, von Nähe, die mit mehr Liebe gemacht ist, als Tankstellenbrötchen. Auch, wenn ich meinen Armreif gerne wiederhätte, den jetzt ein israelisches Mädchen aus Dimensionsgründen um ihren Oberarm trägt. Immerhin ist der von Mutti und das Schmuckstück von ihr nicht mal richtiges Silber. Männlich, 26, sucht. Deswegen Lissabon! Mehr (sesshaft) sein, als (unterwegs) schein. Aber auf keinen Fall in dieser Bürogemeinschaft, in der auf jeden Freiberufler sieben Zimmerpflanzen kommen und die meisten damit beschäftigt sind, möglichst beschäftigt zu sein. Trotzdem! Ein Ort, an dem man zumindest Jeans tragen muss und sich nicht ohne Weiteres selber befriedigen kann. Vielleicht ein […]

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