TUN UND LASSEN
Regen ist da. Das sind in Portugal Nachrichten. Vor allem weils dann Pfifferlinge gibt. Der November nimmt sein Recht in Anspruch nass zu sein. Sowas. Stirbt ja sonst keiner und wenn einer stirbt, konzentrieren sich alle schönen Momente in einem schwarzen Loch. Ich glaube fest daran, dass uns ein leidenschaftliches Leben vor dem Tod bewahrt. Das muss auf den Kippenpackungen stehen. Rauchen ist tödlich, na klar, aber Rauchen, ohne Leidenschaft, Leben ohne Liebe, tötet noch mehr. Wer keine Ziele hat, keine Berufung fühlt, morgens nicht gerne aufwacht und denkt, jawoll, jetzt randalier ich mir einen und dann geht’s aber sowas von los, braucht ein Glas an der Bar seines Therapeuten oder sollte sich vom letzten Licht der Welt treffen lassen. Treffpunkt halb 6, Dach der Igreja São Vicente. Man läuft auf dem Dach wie auf dem Mond. Sieht runter zu Dingen, zu denen man sonst raufgeguckt hat. Sieht sie vom Standpunkt der Ewigkeit aus betrachtet, hinter Höfe und Mauern in das Leben der Menschen. Es gibt keinen besseren Blick. Ein Ort, um die Seele im Sattel zu halten. Eine andere Perspektive. Neue Dimensionen. Ein schöner Moment. Das Leben ist den Tod dann wert. Auch wenn das Wetter schlecht ist, aber es war auch so, als ob es nie sonnig gewesen wäre und nie wieder wird. Der Einfluss des Wetters auf die Stunden des Lebens. Klarheit des Tages, Ernst der Nacht. Ist ja nicht so, dass die Alten viel vom Wetter reden, weil sie vor Komplexem kapitulieren, sondern weil es gelöst ist. Früh am Morgen ist das Licht noch wahr, noch hoffen, mittags schon ein Blenden, eine Lüge, und abends eine oder keine, aber Fazit, ein Resultat. Die Nacht ist nur für jene, die das nicht glauben wollen, es nicht einfach hinnehmen, bis sie im neuen Licht vergehen. Die großen Überforderungen sind dann überwunden. Tag, Nacht, Wahr und Falsch, Frage, Antwort, Welt und Gott, Glück und Leid, du und ich, Auf und Untergang. Sie gehen am Himmel ineinander über. Siehst du? Das Schöne des Sonnenuntergangs findet in die andere Richtung statt. Das Licht flieht aus den Straßen über die Türme und den Fluss, über die Ebene zu den Hügeln in die Nacht. Eine einfache mattdunkle Hügelfläche im Dunst, mehr nicht, angemalt am Horizont. Ein Augenblick. Sieht aus, als ob da Feuer hinter den Hügeln in Afrika brennt. Die Flammen spiegeln sich in den Fenstern. Doch das ist passe. Muss einen anderen Einstieg wählen, keine Erinnerung daran. Der Regen ist da. Das sind in Portugal Nachrichten. Der November nimmt sein Recht in Anspruch nass zu sein. Aber es war auch so, als ob es nie sonnig gewesen wäre und nie wieder wird. Es war nicht wie morgens, wenn die Straße wegen der Reinigungsfahrzeuge nass war oder den Sprinklern im Park und man dachte, dass der Regen schon dagewesen war, bevor ihn die Sonne trocknet und der Fluss durch die Bäume und Zäune schimmert, wie die Riviera oder Amalfiküste oder der Lago di Como. Nein, die Parks schön traurig und trist. Leer, außer wenn man selbst durch einen geht, auf nassen Wegen, und sieht, dass der Quiosque doch noch offen hat. Kerzen brennen auf den Tischen. Komm einen trinken wir noch. Stoßen auf Statuen an, die hier von Terrassen gucken, weil der Fluss fließt wie das Meer. Das Pantheon mondfarben, breitbeinig, leuchtend und stolz, oh ich hasse Adjektive, aber wie soll man sonst beschreiben, was da in einem ist. Gott verdammt. Es geht nicht um Dinge oder Tage, sondern was sie in einem auslösen. An den Kleinigkeiten haftet der Eindruck des großen Ganzen ganz groß. Van der Neer hat das gemalt und ich will schreiben, wie der das gemalt hat. Ganz und gar und immer wieder dasselbe Motiv, bis man alles verbrennen möchte und wieder von vorn. Heute malt keiner mehr ein ganzes Gesicht, man deutet es an. Schreibt, bis man […]