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BYND

Konstantin Arnold

STEROIDE

Es regnet in Strömen. Auf dem Boot werden sie uns morgen erzählen, dass es 35mm per Quadratmeter gewesen sind. Von den urzeitlichen Anblicken, die man auf Google Bilder findet, ist kaum etwas zu erkennen. Wir wollen in Millford den Freund eines Freundes treffen, bei dem wir für heute Nacht unseren Van parken können. Es ist ein später Samstagnachmittag und wir hoffen auf etwas Nachtleben, bei dem man zufälliger Weise auf ein paar einsame Bootbesitzerinnen treffen könnte, weil wir uns neben kühlem Lager keine Touristenexpedition leisten können. Wer hatte eigentlich die Idee, ein kleines Dörfchen in die Mitte des Nirgendwos zu bauen, um dann zu hoffen, dass es genügend Verrückte gibt, die über zwei Stunden durch prähistorisches Grün heizen, um in den Fjorden ein paar Walen bei Baden zu zusehen? Im Fjordland ist alles auf Steroiden. Man schießt einen 35mm Film auf fünfhundert Metern ans Limit, weil es nach jeder Kurve noch größer, noch wilder und noch urzeitlicher aussieht. Als wir am Ende der Einbahnstraße ankommen finden wir eine Tankstelle, einen unfassbar großen Parkplatz und unfreundliches Barpersonal. Wie sollen wir hier den Freund eines Freundes finden? In meiner Generation hat mir niemand erklärt, wie ich mit jemandem Kontakt aufnehme ohne mein Handy zu benutzen. Traditionelle Verabredungen und Münztelefone können helfen. Wir spielen eine Runde Billard in einer Bar, in der jeder Besucher erst einmal nach dem WLan Passwort fragt, bevor er ein Bier bestellt. Wir parken unseren Van etwas außerhalb der Tankstellensiedlung auf einem Parkplatz, der neben uns, heute Nacht nur von einem jungen Pärchen zum Schlafen benutzt wird. Ich glaube es sind Deutsche, denn sie reden wenig und verbringen die meiste Zeit des Abends in ihrem Kleinwagen, der von innen mehr beschlägt, als Oscar prämierte Titanicverfilmungen. Die Nacht zwischen den Gletschern ist so dunkel, dass man eigentlich auch mit offenen Augen schlafen könnte. Wir braten frisches Gemüse mit etwas Hosoisauce an, trinken zwei Falschen Bier und schwören uns nie wieder ohne Zigaretten an vergessenen Plätzen anzukommen. Gegen sechs Uhr wache ich das erste Mal auf und versuche meine Hände zu finden. Es ist immer noch dunkler, als ich es von Blocksiedlungen mit Rollladen gewöhnt bin. Ich glaube wir werden gegen Mittag […]

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