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BYND

Konstantin Arnold

NORTONS NACHT

NORTONS NACHT

Norton sah nicht aus wie immer, weil ich ihn nicht immer sah. Er kam die Straße runterghumpelt und sah durstig und gedemütigt aus. Wie ein guter Hund, den man im Warmen verdroschen hatte. Seine Haare waren lang und wedelten. Außerdem hatte er die Sonnenbrille seiner Freundin auf und war festentschlossen heute vor Mitternacht daheim zu sein. Ich konnte das an seinem geduckten Gang sehen. Für mich war das vollkommen okay. Besser so, denn sobald Norton trank, musste er alles fertigtrinken, was es gab und da er nicht alles trinken konnte, was es auf der Welt gab, schlief er irgendwann beim Trinken ein und war gerettet. Er klammerte sich dabei an seine Freundin, wie an ein Stück Holz, das im Meer seines Trinkens schwimmt. Seine Freundin und das Einschlafen retteten ihm immer das Leben. Seiner Freundin gefiel das überhaupt nicht und mir auch nicht und wir sagten ihm das oft. Er sagte dann, dass er nur kurz ein Bier trinken gehe, um über all das nachzudenken und in einer Stunde zurück sei und dann drei Tage später aus Porto wiederkam und so lang auf den Straßen gesoffen hatte bis er auf ihnen schlief. Er war also auf einer Art Bewährung und seine brasilianische Freundin, die er aufrichtig liebte, feierte brasilianische Grillfeste unter seinem Arsch und drohte, ihn zu verlassen. Er flehte sie an, sagte, er würde nur kurz ein Bier trinken gehen, um über all das Nachzudenken und sie sagte nein, wenn er jetzt geht, ist sie weg. Damit hatte sie ihn am Sack. Man konnte Norton nicht lange mit Menschen alleine lassen, die keine Zweifel haben. Er erzählte mir alles davon und wir liefen so vor uns hin und redeten uns durch die letzten Wochen, bis wir wieder bei uns jetzt hier angekommen waren. In der Livraria Simao gaben wir ein paar Bücher für mich ab und Norton meinte, dass das eine ganz ausgezeichnete Bücherei wäre. Sie war sehr klein und süß und hatte wunderschöne flache Schaukästen wie manche Frauen Titten haben, sagte er. Ich dachte, dass das eine gute Metapher wäre. Die Bücherei lag unter einem Bogen neben den Treppen der São Cristóvão und Norton wartete auf den Treppen und trank, während ich die Bücher abgab. Wir liefen weiter durch den Nachmittag und ich dachte daran Hausschuhe zu kaufen und tat es wieder nicht und dachte an diese kleinen Klebeteile, die man unter die Stühle macht, damit sie den Holzfußoden nicht zerkratzen. Dinge, die man braucht, brauchte ich auch. Es war bisher ein sehr sinnloser Nachmittag und wir liefen sehr komische Wege über große offene Plätze und kleine Verlegenheitsgassen entlang und kamen an einer Mercearia vorbei und Norton meinte, dass die Schinken aus dem Meer haben, Muxama de Atum, hieß der und kostete 15 Euro das Gramm, aber das sagte Norton mir nicht, das sagte mir der Kassierer. Ich kaufte ihn trotzdem und der Tunfisch, den ich jetzt in meiner Jackentasche mit mir herumtrug, machte den Nachmittag noch sinnloser. Wir liefen wahllos herum und Norton kaufte zwei Bier im Kiosk neben der Porta do Mar. Wir tranken sie gut versteckt in den Gassen Alfamas, gleich neben einer Associação, in die ich sehr gerne ging, als man noch sehr gerne irgendwo reingehen konnte. Ich erzählte ihm alles darüber und wie es drinnen aussah und wie und was man da nicht alles bestellen konnte. Lange und schöne Abende hatten wir hier verbracht. Plötzlich ging die Tür auf wie eine Erinnerung und ein Mann trat aus ihr heraus, den ich kannte. Es war Mario, der Koch aus Alfama. Ich schrie Mario, como estas amigo, habt ihr offen oder was? Nein Junge haben wir nicht, sagte er, aber wir könnten trotzdem gerne reinkommen, auch, wenn sie zu haben. Wir konnten es nicht glauben […]