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BYND

Konstantin Arnold

MILITANT

Wir googlen nach diesen Inseln vor Faro, weil sie auf Bildern aussehen wie die europäische Karibik. Wir haben gehört, dass es dort keine Hotels gibt und man mit portugiesischen Fischern im Rentenalter flirten muss, um nicht im jede Nacht im Zelt zu schlafen. Bitte nicht im Frühjahr. Auch nicht in Südeuropa. Wie man auf diese Inseln kommt, haben wir noch nicht gehört. Vielleicht müssen wir das Auto zum Ausrauben für einige Tage auf dem Continente Parkplatz stehen lassen. Vielleicht gibt es eine Autofähre und zivilisierten Zugang zur Exotik dieses Archipels. Vielleicht bilden wir uns auch einfach zu viel ein und wissen, ohne Skandinavierinnen im Urlaubsmodus nach Sonnenuntergang, rein Garnichts mit uns anzufangen. Gestern haben wir Liebesfilme im Internet geschaut und auf unser Abendbrot geweint. Nicht, dass einer von uns dafür in den Süden Portugals möchte, aber ganz entsagen, will sich doch eigentlich keiner. Ich rede hier zumindest von Perspektive. Schöne Frauen gehören einfach in eine Bar am Strand, wie gedimmtes Licht und Songs von Rod Stewart. Denn Inneneinrichtung und Ambiente bestimmen den Wohlfühlfaktor. Frauen, die sich im fünften Monat in Reizwäsche portraitieren lassen, um ihren Liebsten damit eine illusionierte Freude zu bereiten, auch. Das wird zumindest deutlich, wenn man sich in einer Boutique für Fotografie eine ganze Viertelstunde beschäftigen muss, um auf die bestellten Farbfilme zu warten. Dafür gibt es hier Postkarten. Von Sonnenuntergängen rund um die Halbinsel. Von festangestellten Fischern mit regelmäßigem Einkommen und vom Karneval. Natürlich gibt es keine Ansichtskarten von Blechhütten und Armutsvierteln, die Peniche‘s Innenstadt eine ganz eigene Note verleihen. Oder von arbeitssuchenden Fußballfans, die ihre Nachmittage an strandnahen Danonetischen in der Danaubar verbringen. In 90 Minuten könnte man verkatert mit Garrett McNamara in einem traditionellen Fischrestaurant über große Wellen sprechen oder alternativ dazu lernen, endlich ohne Finger zu pfeifen. Man könnte Tiago`s Geburtstag in Ericeira feiern, obwohl das den zeitlichen Rahmen sprengt und keiner von uns dort wirklich hingehört. Sicherlich könnte man bei Regen einfach den Backofen anheizen, um gut gewärmt etwas mehr an Wachs Vier zu arbeiten. Wir entscheiden uns nach dem Fisch, den letzten Bus nach Lissabon zu nehmen, um unsere Farbfilme im portugiesischen Nachtleben zu belichten. Mit leichtem Sonnenbrand und der ganzen Welt in unseren Adern sitzen wir in der letzten Reihe des Linienbusses und müssen pinkeln. Rote Marlboros, begrenztes Budget und haltlose Erwartungen an einen Freitagabend. Lissabon ist ein Spielplatz ohne Zäune. Die lebendige Definition des Eldorados. Glatte Pflastersteine und Kokaindealer inmitten historisch verwinkelter Gassen. Gelbes Laternenlicht und Bars voller Austauschstudenten mit betrunkenem Akzent. Mehr davon, aber bitte ohne Gigi D’Agostino. Ohne eigenes Feuerzeug hat man genügend Zündstoff für Abendessen mit fremden Franzosen oder kostenlose Taxifahrten in Begleitung […]

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