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BYND

Konstantin Arnold

 

FRIVOL

An meinem letzten Tag in Köln sitze ich in einem Café, in das ich schon seit sechs Jahren gehen wollte. Ein paar kurzhaarige Neonleserinnen, die angestrengt daran arbeiten möglichst gelassen auszusehen. Ein paar gut gestylte Großstädter in meinem Alter, die schwer beschäftigt unterbezahlte Facebook-Nachrichten in die Tasten ihres Macbooks hämmern und ihren Sojaccino wie einen Iso-Drink in der Halbzeitpause behandeln. Gerade hat ein schüchterner Mann mit Schal, trotz Frühling, das Zuckerglas vom Tisch geworfen ohne dabei Rot zu werden. Ich bin gestern Abend nicht ausgegangen und deshalb mit einem Gyros in der Hand durch den Sonntagnachmittag geschlendert. Endlich mal etwas städtische Routine! Bilde ich mir ein. Seit zwei Tagen bin ich jetzt wieder hier. Nur um heute auch noch das letzte Stück Sesshaftigkeit in seine mietunverträglichen Einzelteile zu zerlegen. Verdammt wie viele Leute an einem Tag in ein Kaffee gehen! Dafür kann man zwischen den Zeilen indiskreten Blickkontakt mit langhaarigen Medizinstudentinnen halten und sich danach wieder in den Dingen verlieren, die einem das Leben zwischen unpersönlichen Hotelzimmern und rustikalen Studenten WGs vor die Füße wirft. Hier könnte man sicherlich gut über beruflichen Erfolg diskutieren oder durch Selbstoptimierung soweit in sich gehen, bis einem schlecht wird. Steht jedenfalls auf der Tageszeitung neben dem Damenklo. Eigentlich wollte ich mal eine Pause machen, aber unnatürlich lebenswerte Großstädte sind ohne redundante Rendezvous einfach nicht zu ertragen. Natürlich bange ich um meine Bräune. Natürlich habe ich keine Angst vor zu vollen Kühlschränken, obwohl sie uns für eine bestimmte Anzahl von Tagen an einen bestimmten Ort binden. Aber ein weißes Blatt Papier ist einfach nicht zu schlagen. Und das für die Stadt, in der ich studiert, gelebt und geliebt habe, ist bis über den Tellerrand beschrieben. Dazu die Perspektive aus Frankreich, Portugal, Südafrika, Kuba und den fast schon kalkulierbar spontanen Affären meiner Arbeit. Trotzdem wird es endlich mal wieder Zeit für eine Zimmerpflanze und zeitgemäßes Engagement für die eigene Wandgestaltung. Deswegen habe ich dem Prüfungsamt meiner skandinavischen Bewerbung gestern nochmal ein schönes Wochenende gewünscht, obwohl ich mich momentan nicht wirklich für langweilige Gespräche begeistern kann. Liegt das an 21 Moderationen in 15 Tagen oder einfach daran, dass die Anforderungen an eine Unterhaltung mit zunehmender Beschäftigung unterbewusst steigen? Die letzten beiden Wochen waren anstrengend und schön. Wir sind verkatert in Regensburg losgefahren, weil wir nach sechs Stunden, an einem Aral-Stromkasten, schon nach dem ersten Komma vergessen haben, was wir eigentlich sagen wollten. Wir haben Krustenbraten in Karlsruhe und richtige Spätzle in Freiburg gegessen, auch wenn beim Bestellvorgang kurzzeitig die Musik stoppte, weil kein Kneipenbesucher unserem Dialekt Glauben schenkte. Ich habe in Nürnberg vor fast 1000 Leuten gesagt, dass wir in Thüringen die größeren Würste haben und in Kiel mit Freunden und einer Jukebox die Bedienung einer Hafenkneipe in den Wahnsinn getrieben. Ich musste in einem Waschsalon in Leipzig auf meine vier Unterhosen warten, kurz vor Rügen schon wieder die begrüßende Redensart wechseln und eigentlich in jedem Hotelzimmer angeheitert noch an irgendwelchen Artikeln arbeiten. Die Kunst zwischen erreichten Zielen und strandnaher Genügsamkeit trotzdem unzufrieden zu bleiben, ist einfach: Aspiration. Keine Sorge, dass Wort musste ich auch erst googeln. Genauso, ob einige meiner Facebook-Freunde ihren […]

URLAUB

Ich habe Zeit. Zum ersten Mal nach vier Monaten kann ich das Angebot der Wurstfachverkäuferin annehmen und die Dinge probieren, bevor sie mit kommerzieller Hingabe eingetütet werden. Ich versuche alles zu machen, von dem ich denke, das man es so tut, wenn man Urlaub hat. Ich lasse mir den Bart schneiden und mache ein Windows 10 Update. Ich treffe Freunde zur Mittagszeit und kann in jugendlicher Gelassenheit auch einfach die nächste Bahn nehmen. Eier mache ich ohnehin nur nach Bauchgefühl, weil meine Zimmerpflanze ohnehin nicht mehr zu retten ist. Ich schaue einen Tatort im Ersten und erfahre von den Tagethemen, dass es Charlie Sheen zu weit getrieben hat. Bei Günther Jauch erzählt Guido Westerwelle von seiner Krankheitserfahrung und ich werde für eine halbe Stunde zum Hypochonder, weil mein Kopf ohne Aufgabe nicht arbeiten kann. Nichtstun sollte bezahlt werden. Jede einzelne Minute. Bis zum nächsten Mittwoch, auf den ich mich freue wie auf Weihnachten und Victoria Secret Fashion After Show Parties zusammen. Eigentlich bin ich so aufgeregt, dass ich im Moment nur mit zwei Tassen Glühwein einschlafen kann. Simon aus München, Jordan aus Wales und mein brüderlicher Vormund aus dem Osten. Alle meine Freunde freuen sich mit mir. Nur wo ist Adventura? Irgendwo zwischen Litauen und deutschen Zollbeamten? Eigentlich sollte die Lektion auf Zeit spätestens morgen auf dem Vulkangelände eintreffen. Ungeduld ist keine Tugend, sondern eine Mammutaufgabe! Deswegen steige ich in den Zug nach Düsseldorf, um die Gesellschaft und den Glühweinstand zu wechseln. Ich schlafe in einer unpersönlichen Wohnung, die sie sich mit ihrer Minimalität teilt. Alles ist weiß, bis auf das selbstgemalte Bild ihres Vaters. Die Fenster gehen bis zum Boden und das Geländer davor wirkt mithilfe des Innenhofs wie ein Pariser Postkartenmotiv. Wir bestellen uns Ente in Kokosmilch und grünem Curry. Der Duftreis hat jedenfalls nicht daran Schuld getragen, dass ich den Rest der Nacht auf einer weißen, minimalen Toilette verbringen durfte. Immer in Begleitung eines laufenden Wasserhahns, um der Geräuschkulisse ihre Eindeutigkeit zu nehmen. Irgendwann wird heute zu einem sonnigen Morgen. Weil ich vor zehn nicht schon Glühwein trinken kann, wollen […]

DANKE

Gerade bin ich 25 Jahre alt geworden und habe dafür 87 Gratulationen auf Facebook erhalten. Unterstützt von vielen Freunden, ohne die dieses Vorhaben nie möglichgewesen wäre, habe ich ein Jahr unterwegs verbracht und die Dinge aufgeschrieben, die man normalerweise auf Instagram veröffentlichen würde. Dazu habe ich Texte verfasst, voller Vorfreude jeder Farbfotoentwicklung entgegengefiebert und mich gefragt, wo eigentlich zu Hause liegt? Dort, wo man die Hand voll guter Freundschaft mindestens einmal im Jahr zur kostenlosen Maniküre bringt? Oder dort, wo man dieses handschriftliche Dankeschön eh nicht versteht? Wo liegen also die Gründe, die eine kleinstadtgroße Zahnlücke dazu bringen, nicht genau dort an seinen Falten zu arbeiten, wo der Zufall von Geburt ihn hingeworfen hat?
Deswegen lieben wir Literatur. Präzise aufgereiht in einem schweren Holzregal erzählt sie von der Vielzahl des Repertoires. Von Gegensätzlichkeit und fehlenden Stereotypen. Von langen Nächten in kurzen Geschichten. Über Los Angeles und Neuseeland nach Australien und Mittelamerika sprechen wir Erfahrungen jedem zu, der sich für unbelesenes Erleben begeistern kann. Durch Wälder ohne Wanderwege mit keinG und kaum Guthaben, auf denen ich versucht habe meine Haare noch einmal so lange wachsen zu lassen, bis ich doch nochmal aussehe, wie der Australier, der ich eigentlich nicht bin. Deswegen 34 Geschichten und Bilder, für die mir die Worte fehlen. Fotografiert auf 35 mm Negativfilm und durch die Linsen zweier analoger Kameras, für die ich weniger zahlen musste, als für eine akzeptable Farbfotoentwicklung. Vielleicht ist das Gras deswegen nicht so grün, wie es aus filmreifer Idealvorstellung eigentlich auszusehen hat? Vielleicht geht es darum, wie Dinge sind und nicht wie sie sein sollten? Weil man Erfahrungen jedem zuspricht, der sich für unbelesenes Erleben begeistern kann! So wie Luke und dem Layout. Meiner Mama und den Wurzeln. Steffi, Sabine und Erik für die Kommas. Und (Komma?) um dem dankbaren Nagel auf den Kopf zu hauen: Danke denen, die mich ausgehalten haben für den Inhalt! All jenen, die mich ermutigt haben, das Wort Weltenbummler in seine unerträglichen Einzelteile zu zerlegen und schlussendlich der Erfahrung, dass es im Leben um die Menschen geht und nicht nur ums Essen.

Die jugendfreien Highlights der Wachs Release Party in Köln

Superacht beim ersten Date 

Superacht beim ersten Date 

EIN BEITRAG ZUR ADOLESZENZ

acht Euro verteilt auf drei junge Männer bietet jedem von ihnen ein relativ bescheidenes Repertoire an kreativen Möglichkeiten. schließt man sich jedoch zusammen, eröffnen sich auf Flohmärkten gänzlich neue Spähern und das Unerreichbare scheint urplötzlich greifbar. trifft man in charmanten Verhandlungsgesprächen dann noch den richtigen Tonus der Marktleiterin, ist man kurz davor ein Plüschpferd bis auf die acht Eurogrenze zu reduzieren. ein Pferd mit Vorgeschichte. ein Pferd, das einst in Kinderzimmern auf den Namen Julia hörte, wird nun anonym durch dicht gedrängtes Partypublikum gedrängt. kaum einer von uns wusste, wie man mit einem Pferd umzugehen hatte, wobei ich von minimaler Vorerfahrung zehren konnte, die mir abgesehen von meinem Heimweg, zugutekam. der letzte musste den Gaul sicher nach Hause bringen. das bedeutete Fragen, Fotos und viel Humor in einer Phase des Abbaus. in einer Phase, in welcher man seine im Nachtleben verlorengegangenen Freunde verflucht, weil Pferdewitze minimal in zweier Gruppen zu verkraften sind. dann steht man da. es regnet. fünfuhrdreißig am Barbarossplatz mit einem Plüschpferd auf den Schultern. zuhause angekommen hat man noch zwei Gedanken. erstens stellt man das Pferd vor die Zimmertür seines new yorker Mitbewohners, der am nächsten Morgen laut losschreien wird, weil er im Halbschlaf Hunde fürchtet. und zweitens die Frage, ob diese pubertäre Leistung unserer Hormone nicht doch etwas fragwürdig sein könnte. die Antwort ist nein, weil die Frage: warum hast du kein Pferd? von originellerer Berechtigung […]

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