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BYND

Konstantin Arnold

BAD GASTEIN

BAD GASTEIN

Bad Gastein, hat man vielleicht schon mal von gehört. Wenn nicht ist das auch nicht schlimm. Es interessiert eigentlich auch keinen, bis auf die, die da wohnen und die, die sagen, dass sie da wohnen, obwohl sie meistens in Hamburg oder Berlin sind. Das Bergdorf ist sowas, wie die österreichische Antwort auf St.Moritz oder der Versuch einem gewissen Karlsbader Glanz gleichzukommen, ohne jene Internationalität und ohne, dass jemand gefragt hätte. Es entstand wie alle anderen Kurorte auch, durch Größenwahn und Gründerzeit und weil die Aristokratie Galle spuckte und trotzdem weiter Saufen wollte.  Neben den regulären Kurgästen (Kaisern, Königen, Literaten) kamen schnell Sommerfrischler nach, Grand Nature und noch einflussreiche Leute, die abseits des Protokolls Erfahrungen in erotischen Dingen sammeln wollten. 1905 dann die erste Eisenbahnstrecke, eine Brise Wintersport und die Geschichte ist so einzigartig wie überall und deswegen auch immer schnell erzählt. Bad Gastein ist nur international, wenn man das auch von Berlin-Mitte denkt. Einzigartig ist das radonhaltige Thermalwasser. Es fließt aus 18 verschiedenen Quellen, fünf Millionen Liter am Tag, 46 Grad heiß. Es ist etwas radioaktiv und wird von Kliniken und Krankenhäusern verschrieben, angeblich nur so radioaktiv, dass es die Zellen stimuliert, bevor sie sterben. Allein von 1906 bis zum ersten Weltkrieg entstanden daher 28 Hotels, inklusive Renovierungen. Sie ragen an den Steilhängen empor, stapeln sich übereinander, kämpfen um den besten Blick, gegen’s ganz große Vergessen, 1000 Meter über dem nächsten Meer, der Adria. Ich glaube, man merkt schon, ich habe meine Probleme damit. Nicht, dass mich die Bilder eines gelben, großen, leerstehenden Grand Hotel de l’Europe nicht seitjeher begeistern, aber irgendwas hinderte mich stets daran, dort mit meiner Hotelbegeisterung aufzuschlagen und ich weiß jetzt auch was. Es ist dasselbe, was mich auch vom Adlon in Berlin fern hält und gewissen, berühmten Häusern in New York. Es sind nette, aufgeregte Leute aus der Stadt, die Kaffee im Gehen trinken und mit ihrem Stadtleben einfach auf dem Land weitermachen; das Fehlen Einheimischer, die so herzlich sind, dass sie gar nicht mehr nett sein müssen und immer noch meinen, dass man bei Halsschmerz besser warmen Schnaps mit Honig trinkt, als lederfreie Medikamente mit Lachs und Ozon aus biologischem Anbau. Die meisten kommen aus Berlin und selbst die, die nicht aus Berlin sind, sind so. Es sind die gleichen Leute wie überall oder es sind andere, Hotelbedienstete, Kellner, Saisonarbeiter, Künstler und Kinder, die Künstler Künstler werden wollen. Bad Gastein trägt so schreckliche Titel wie das Berlin der Berge oder das Manhattan der Alpen und will sich ständig mit anderen Orten vergleichen, um zu existieren. Der Deutsche Kaiser kam zwanzig Sommer, Freud samt Psychoanalyse-Boheme, Mozart wurde hier gezeugt, alles schön und gut (für Leute, die andere Leute brauchen, Epochen und Expats, die vielleicht noch keine anderen Alpentäler gesehen haben: St.Moritz, Gstaad, Klosters). Ein ordentliches Hotel hält die Listen seiner berühmtesten Gäste geheim und Bad Gastein ist ein Ort, der wirklich nur aus Hotels ist. Der Kellner ist Italiener, der Concierge Genovese, der Portier aus der Slowakei, der Koch Spanier, die Hausdame Portugiesin und der Barmann ein Österreicher, immer noch kaiserlich, selbst wenn er Befehle empfängt. Alle samt aus der Enge ihrer patriotischen Gefühle befreit und der dumpfen Selbstverständlichkeit ihrer Heimat, für die keiner was kann, da die Welt nicht, wie gerne angenommen, aus nur einem einzigen Ort, sondern Millionen Orten besteht, die sich alle für die einzigen halten, so wie BeGe. Ich hasse Abkürzungen, früher schon, so wie später treffen an der Bushalte? Deswegen lebe ich doch gerade in den Hotels. Dennoch: Am Ende des letzten Sommers, den wir in Slowenien verbrachten, wars dann soweit. Die Fahrt ging von Ljubljana nach München und ich sah, dass Bad Gastein auf dem Weg ist. Außerdem gabs da diesen sehr netten Kerl, der meine Geschichten kannte und Bad Gastein. Er erzählte mir davon, erzählte von großen, leerstehenden Hotels, die verfallen oder bald renoviert werden, einem wilden Hotelwesten. Grand Hotel Ruinen der Belle Epoque, der letzte große Jahrhundertwende, genau mein Ding. Sie würden den Leuten als Bühnen dienen, um sich aufzuführen und mit Leben gefüllt, genau wie in meinen Geschichten. Das Hotel Europe wäre die Inspiration für Wes Andersons Budapest Hotel gewesen (so wie viele andere auch) und es gäbe da heimliche Berghain-Parties, Ausstellungen, Fetischnächte, bei denen sogar schon Sebastian Kurz vorbei geschaut hat. Eyes Wide Shut. Dazu ein verrückter Haufen Architekten und Designer, die dafür sorgen, dass die Bad Gasteiner Mode auch in diesem Sommer wieder schwarze Joggingsachen mit Turnschuhen ist. Man könnte noch richtig in den Hotels leben, obwohl ein Hotel ja eigentlich immer ein Haus ist, in dem man nicht zuhause ist. Die Möbel gehören mehr denen, die sie putzen, der Portier bewacht die Nacht und Nachtisch ist eher Pflicht Kellnern gegenüber […]