AM HANG LANG
Man schwitzt immer, wenn man oben ist. Es gibt keinen anderen Weg nach oben, der nicht bergauf geht. So ist der Largo da Graça nun mal. Am einfachsten kommt man aus Osten auf ihn hoch, dauert aber auch am längsten und wenn man aus Osten kommt, muss man aus Arroios oder Olaias auf ihn hochgekommen sein und niemand kommt aus Arroios oder Olaias gerne irgendwo hoch. Besser läuft man die Serpentinen hin zum Fluss. Dann bekommt man den Weg nach oben gar nicht so mit. Schöne Aussicht, tolle Erfindung, diese Serpentinen und wenn man ein Rendezvous hat und sich gleich küsst, muss man halt früher hochgehen und irgendwo in einer dunklen Ecke warten bis man wieder getrocknet ist. Fett wird man so nicht. Kann man gar nicht werden, bei den ganzen Hügeln und Treppen hat man sich den Wein abgelaufen, bevor man ihn getrunken hat. Rein damit, aber wo bleibt Pedro, die Sau. Ich warte schon ’ne Stunde auf den Kerl. Eins, zwei Bierchen wollten wir trinken, rumlaufen, was essen. Wo ist geheim. Darf ich nicht sagen, weil man in diesen Tagen ins Gefängnis kommt, wenn man sagt, wer für andere Leute kocht und dann dafür Geld nimmt. Ich warte und warte und warte, warte auf einem Platz, unter dem endlosen grauen Himmel eines Nordatlantiktiefs. Sitze, laufe rum. Warte und schaue in die Schaufenster. Sehe mich und denke, dass ich gar nicht so schlecht in den Fenstern aussehe. Komm, denkt doch jeder mal, wenn er was Neues anhat, aber ich denke dann noch bei wem vorbeizugehen, damit man es sehen kann. Mein neues Hemd ist blau und hat Streifen. Sieht toll aus. Drüber habe ich Hosenträger gelegt. Ich, Ich, Ich, das sagt meine Freundin auch immer. Was haben wir hier nicht für Straßenszenen gemacht, in all diesen Gassen. Stiegen, fielen, starben. Standen wieder auf, um dann noch höher zu steigen, tiefer zu fallen, ohne zu sterben, Himmel und Hölle, Senhora do Monte. Ich sehe einen Typen, so in meinem Alter, der anscheinend auch wartet, und bin froh, dass meine Freundin den nicht sehen kann. Wie gut der beim Warten aussieht, wartet viel besser als ich und sicher ohne den Scheiß, der das Warten mit mir so schwermacht, aber auch nicht so aufregend. Vorne am Geländer lehnen noch zwei Frauen. Jetzt kommt eine dazu und bringt Bier mit. Toll, wie sich die Leute in dieser Stadt begegnen, einfach so, oder lieber nicht, treffen und zusammenkommen, irgendwas zu reden haben, wie auch immer, Was für ein trister Nachmittag das ist. Das ist doch kein gewöhnliches Nordatlantiktief mehr. Der Himmel dieses Nachmittags sieht eher aus, wie der über Neapel, wenn Scirocco weht, wobei der eigentlich nicht weht, der drückt sich heran, trägt den Wind aus Afrika faul übers Meer, hält die versammelte Hitze der Wüste in den Wolken fest. Die Sonne ist seit Tagen nicht zu sehen und der Himmel ist diesig und weiß. Sieht aus wie Smog. Ein glühender dumpfer Punkt. Mehr nicht. Ein Regenhimmel, von dem keine Gefahr ausgeht: der schlimmste Himmel. Er schlägt auf dein Gemüt wie eine drohende Faust, die nur ausholt, wie Streit und wie Schnaps, und hält deine Stimmung fest im Griff und du wartest auf die Erlösung, um dich so oder so zu fühlen, aber nicht mehr so und so. Dazu noch dieses ganze Zeitumstellungsgefühl. Wie kann man die Gefüge der Welt so einfach durcheinanderbringen. Zeit und Raum, Kontinuen, unveränderbare Fakten, sind wir Gott? Es ist spät, aber hell und solange einem das auffällt, ist der Frühling frisch. Der Winter in uns überstanden. Alles poppt, aber langsam, das Schnelle ist eine Erfindung der Pornoindustrie, die es damit schafft sogar schlaue Männer […]