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BYND

Konstantin Arnold

ALLER TAGE ABEND

ALLER TAGE ABEND

Ich weiß nun wieder, warum ich schreibe, der Playboy hat angefragt, sie hätten gerne eine Story zum Thema Lust, in der ich meine neue Liebe beschreibe, mit Haaren bis zum Arsch und Beinen bis zum Hals und den nötigen Helfersyndromen. Lustig soll die Geschichte werden, selbstironisch über den Dingen schweben, und nicht zu lang, obwohl ich bis zum Hals in ihnen stecke und sich große Gefühle nicht einfach in achthundert Worten abkühlen lassen. Ich kann und will so nicht schreiben, nur mittelmäßige Liebesgeschichten, ohne Liebe, lassen sich so schreiben, von Autoren, wie ich vielleicht einer war, bevor ich einer war und mich verliebte. Ich habe schon viel darüber geschrieben, aber noch nichts, dass so ist, wie es ist. Nur langweilige, epische Breite, unnötige Zeilen, Liebesszenen, in denen sich die Unkenntnis meiner Liebe offenbart. Worte definieren nur einen Teil und einen anderen nicht. Sie können Gefühle nicht fassen, außerdem hat man die schon und muss eigentlich nicht noch darüber schreiben. Nicht mal fragen, nur sagen, man hätte es wohl nicht erwartet und wäre froh, dass sie gekommen ist. Oder man würde überhaupt nichts sagen, sondern einfach miteinander zusammensitzen ohne Fragen und Sagen, wodurch sich Menschen nur trennen. Ich will daher auch nicht dieselben Worte für etwas benutzen, das nun vergangen ist. Worte zählen, bis sie nicht mehr zählen und bis dahin meint man sie vielleicht auch. Es ist dann eigentlich schon gut, wenn man das, was man fühlt, nicht durchs Schreiben zerstört. Wittgenstein, Chomsky und Gott selbst in allen Ehren, aber selbst Gott kann aufhören, wenn er auf eine Realität stößt, die seine Vorstellungskraft übertroffen hat.  Ich lebe in einer glücklichen Zeit und über glückliche Zeiten gibt es nicht viel zu schreiben, außer, wenn man sich bewusst ist, wie kostbar sie sind und wie leicht sie vergehen, ohne deshalb vorsichtig zu werden. Man muss dafür nicht das Leben eines Schriftstellers führen, es reicht ein Mensch zu sein, der einen anderen liebt und weiß, was passiert und was nicht passiert und das nicht ernster nimmt und dann schreibt, als ob es gar nie hätte anders gewesen sein können. Es ist vielleicht langweilig, wenn zwei Menschen glücklich sind und man nicht mit oder nicht mehr und will, dass sie es auch nicht mehr sind, ohne lustige Scherze. Wir alle wollen etwas für uns und selten wollen wir das auch für andere. Man will nicht lesen, dass sie Straßen gingen, die keinen besonderen Namen hatten und in Restaurants aßen, die keiner kennt und Dinge taten, die niemanden so sehr interessieren, wie sie. Nicht nur das, aber man hat dass eben eben, was wir alle suchen und kann sich dem widmen, und es, wenn man will, mit in eine Bar nehmen oder ein Tanzlokal oder andere schöne Orte. Gerade weil es dann eine glückliche Zeit ist, muss man darüberschreiben. Die Kunst diktiert dabei alles Menschenmögliche. Helden müssen aber gar nicht immer sterben, wie in den großen Romanen, die man so liest, es gibt gute, große, griechische, von denen ich gehört habe, in denen der Held am Meer bis ans Ende lebt. Alle großen Lieben der Literatur scheitern oder müssen im banalen Hafen der Ehe enden. Die Literatur kanns sichs anscheinend nicht leisten, so unvorhersehbar, wie das Leben, zu sein. Sie ist eine Nachahmung davon und auf Madam Bovary, Lady Chatterley, Murakamis Geliebte, Adam & Eva, Dieter Bohlen, Abaelard und Heloise, Cäsar und Cleopatra reduziert. Sie zeigt kein Leben, sondern die Vorstellung und legitimiert den Mythos des Künstlers als lebensunfähiges Ding. Man muss aber aber gar nicht so lebensunfähig sein, um Kunst und Liebe zu machen, man kann es hinkriegen, vielleicht nicht mit Munch, Mann oder Rilke und all den anderen Beziehungskrüppeln. Kanusgard ist nicht schlecht. Auch ein Krüppel, aber einer, ders wenigstens versucht (hat?). Natürlich war ich auch mal ein Krüppel, aber der von Molière, der am Ende weiterlebt, nicht die von Mozart. Wenn ich jemanden traf, der mir nahe kam und sich die Liebe zeigte, glaubte ich es nicht und tat, was ich immer getan hatte, nachdem ich wen getroffen hatte und mir die Möglichkeit des Bleibens nicht einfiel: Ich ging in die nächste Bar, flog und fuhr weit weg durch die Welt: Florenz, Paris, Wien, München, Mailand, obwohl ich in Lissabon, Rom, Madrid und doch nirgendwo zu Hause war. Es gibt kein Genugsein, nur Weitermüssen. Immer rastlos unterwegs ins Nirgendwohin, nur auf Brücken, die Hier und Dort miteinander verbinden und mir erlauben, zwischen entschiedenen Handlungen und unwiderruflichen Entschlüssen keine Entscheidungen treffen zu müssen. Ich wanderte, Tage, Wochen, Jahre, schlief an Orten, deren Namen ich nicht kannte und mit Frauen, deren Angesicht ich nicht sah und auch nicht sehen wollte. Durch die Länder, Städte und Dörfer, durch die ich kam, kam ich nur, um anzukommen und sie verlassen zu können, ich wusste nicht, wie Bleiben geht, gut ging es mir in der Fremde. Ich war bescheiden aus Hochmut, erbittert gegen die Reichen, ohne Solidarität den Armen gegenüber, nur einmal glücklich als ich in Kunderas Leichtigkeit eine autoritative Bestätigung meiner Instinkte fand. Bis ich eine Frau vor der […]