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BYND

Konstantin Arnold

UNBEDINGTES

UNBEDINGTES

Ich fühl mich wie ein schlaffer Schwanz. Hängend und blutleer. Bin Loch mit Leere. Hab nichts zu geben. Kann kaum die Arme halten. So müssen sich leere Batterien fühlen. Meine Freunde sagen, dass das am schlechten Wetter liegt, was aber nicht heißt, dass das Wetter schlecht ist. Im Gegenteil, ich statt Ereignisse und ich glaube, es liegt an den Freunden und an mir. Nicht am Triumphzug der Wolken und dieser frühen mittelalterlichen Dunkelheit, die sich in den Straßen und Treppenhäusern der Menschen breitmacht. Stell dir vor, wie schön das Laub jetzt im Park um die Bänke liegt, und wie die feuchten Lippen eines Mädchens, das sich auf so einer Parkbank unter Kastanien küssen lässt, im Laternenlicht dahintrocknen. Mir kommen die Tränen, aber es sind keine, die man weinen kann. Sie bringen mich zum Schweigen, wie jemand der ertrinkt. An der Bar, allein unter Freunden, Zigarette im Mundwinkel hängen, kaum Luft zum Atmen, manchmal lächeln und es nicht so meinen. Einsam ist man nur unter Freunden, nicht, wenn man allein in der Stadt steht, die dunkelste Gasse geht und vom Klang der eigenen Absätze durch die Beco dos Beguinhos verfolgt wird. Umgeben von der Stille des Largo da Achada, die einem das Herzen in den Ohren schlagen lässt. Wenn der Wahn die Welt dreht und die Welt im Wind weht, kann man es dort in den Bäumen hören. Die Bäume sind das Instrument auf dem die Ewigkeit erklingt. Man kann es auch in der Igreja São Nicolau sehen, die nach Feierabend wieder voll und lebendig wird. Kerzen brennen, Antworten fehlen, Menschen denken in Wintersachen. Es ist eine wundervolle Stille, die von denkenden Menschen in Wintersachen ausgeht, die sich mal kurz ins Geheimnis setzten, um Erleuchtungen davon zu tragen, die alles erhellen und zugleich die unermessliche Tiefe des Dunkels aufzeigen. Die Welt in ihnen drin wird dann groß, viel größer als die Welt, kreist um sie in ihnen, wächst über die Wirklichkeit ihrer Welt hinaus, wie bei einem Gemälde. Sie lauschen ihren Gedanken, die ausgesprochener sind, als alles, was sie sektenmäßig zusammensingen könnten, wenn die Orgel krampft. Orgeln erzwingen Heiterkeit, man singt dann nur, um nicht zu weinen. Aber die Menschen wollen es ja spüren, einen Augenblick lang, spüren, wie alles ist, das ganze Leben und die Nacht, trauriger, aber richtiger als sonst. Und dann wollen sie es besser nicht mehr spüren. Suchen sich gewaltige Ablenkungen vom Nichts. Stürzen in einen lebenslangen Rausch, bis zur ganz großen Zerstörung. Schalten was an, laden was runter, löschen es wieder. Kaufen schnell noch was ein. Dumm, nur nicht dumm genug, denn hinter ihren Augen lauert die Angst. Es verhält sich verdächtig. So schauen Tiere, die aus einem brennenden Wald auf ein Smartphone gucken, das irgendwo im Gras vibriert. Sie wollen, dass der Anruf endet, das alles, dieses ganze lebenslange Warum? Das kurze Abenteuer, das sie zu den geistigen Endpunkten der Welt geführt hat, diese wirre unbezwingbare Furcht, ihr aufgewachtes Bewusstsein, das Aufschwellen ihrer Gedanken, das sie dem Wahnsinn näherbringt, diese große innere Bewegung zum dunklen Tor der gleichen Welt. Alles, was die Einsamkeit eines Herzens so unerträglich einsam macht. Die Zeit läuft davon und die Brunnen tröpfeln dahin und die Bäume wehen wütend im Wind. Der Tag verdichtet sich und versinkt doch in der Dämmerung. Sonnenuntergänge setzen die Meere in Brand. Ruhe nach Stürmen in einem anderen Sturm. Die Gespräche der Nacht, an den Theken der Welt […]