ÜBER DEN FLUSS UND IN DIE WÄLDER III
Wir fuhren, wie Stekar meinte, nur einsame, schmale Landstraßen, keine Autobahnen, und auch nur slowenische. Es war nun richtig Slowenien, dunkle Nadelwälder, Schlösser, 23 Grad. Die Zeit schien still zu stehen. Wir fuhren durch viele Dörfer. Die meisten Häuser hatten Holz aufgestapelt, in den Einfahrten fielen die Blätter und an manchen wuchs Wein. Die waren schön. Man konnte die Straßen gut voraussehen und die Kurven gerader fahren. Am Abend kamen wir in die Stadt und die Stadt fing an, wie Städte sonst eigentlich nie anfangen. Ohne Vororte, die sich in die Natur reinfressen. Die Stadt und die Natur gingen ineinander über und die Dörfer hörten einfach nicht auf anzufangen. Es kamen auch keine Speckgürtel, Gewerbegebiete oder hohe Gebäude, die langsam kleiner wurden. Es war alles sehr ländlich, nur Basketballplätze erinnerten daran, dass man am Abend in der Stadt ist. Unser Hotel lag im Zentrum am Fluss, vor der Burg. Man musste gar nicht mehr aus dem Hotel, um in der Stadt zu sein. Nach der Ankunft setzten wir uns auf die Terrasse und sahen die Leute im vorbeigehen an. Ein netter, großer sympathischer Mann nahm unsere Sachen ab und brachte zwei Drinks. Keine Ahnung, ob das normal war oder Marijan den angerufen hatte. Er sagte, es gäbe in Slowenien nur drei anständige Hotels, das hier sei eines davon und sie hätten ihn und einen Concierge. Es war ein schöner Sommerabend, vielleicht einer der letzten. Die Luft war warm, die Frauen schön und sie lächelten und so waren die Männer dann auch. Niemand rannte oder war laut oder musste unbedingt irgendwo hin. Die Bewegung der Stadt schien durchs Wollen bestimmt. Wir saßen auf der Terrasse, das Hotel im Rücken, den Platz im Blick, über den die Leute unter den Bäumen gingen. Unser Zimmer hatte einen Blick nach hinten, auf die Brücke, zur Burg. Der große sympathische Mann meinte, dass wäre aus dem 16. Jahrhundert, Zunftgeschichte, keine Ahnung, ich hörte nicht hin. Wir tranken Cviček, rote und weiße Trauben zusammen, neun Prozent. Ich sah ein paar Stühle vor einem Café, die sich gut eignen, um den Rest des Nachmittags mit seinen Gefühlen zu verschwenden, aber ich wusste nun, dass den Gefühlen immer was Gutes zugrunde gelegen hatte und musste es nicht. Ich kannte in solchen Momenten nur Streit, aber wir hatten in zwei Wochen nicht gestritten, nur einmal, für sie vielleicht, für mich war das nichts. Unter der Sorglosigkeit der slowenischen Sonne, gedieh unsere Liebe prächtig. Ich versuchte, mich zu erinnern und nie zu vergessen und sorgsam damit umzugehen, denn irgendwann ist das Leid vorbei und Erinnerungen nehmen seinen Platz ein. Man wartet darauf, dass die Qual größer wird, als der Schmerz. Dann ist die Qual vorbei und der Schmerz bleibt und man erinnert sich und weiß wieder, wie man sich fühlte. Alles gute hinterlässt eine Leere, wenn es geht, aber nur das Schlechte eine, die sich nicht einfach wieder füllen lässt. Auf dem Rückweg hielten wir an Schlössern und auf Feldern, sahen uns die Landschaft an, um nüchtern zu werden oder fuhren trotzdem einfach weiter, ohne die Höchstgeschwindigkeit dieser noch nie gemalten Landschaft zu überschreiten. Irgendwann kam dann doch der Herbst. Die Blätter an den Bäumen wurden braun oder sie kamen uns braun vor, weil wir abreisen mussten. Es war nun nicht mehr Slowenien, zu nasse Nadelwälder, Schlösser, fast Minus Grad. Die Zeit schien doch nicht still zu stehen. Man fürchtet, dass das nur der Anfang war, fürchtet es aber nur und hoffte, den Aggregatzustand seiner Gefühle mit nach Hause zu nehmen. Man fürchtete sich vor vielen guten Momenten, will dem Versprechen aber glauben, das der glückliche Moment in sich trägt. Er gibt einem die Chance zur Liebe, zur Fragilität, der Erkenntnis, dass es nicht nur darum geht, wenn es nicht nur wieder darum gehen soll, genau wie eine Kellnerin aus Bled meinte. Wir fuhren durch ein Dorf, das Drama hieß und beim Rausfahren war das Drama durchgestrichen. Bei Gurinanz aßen wir ein letztes Lunch. Die vom Neptun hatten uns das empfohlen. Es war gleich auf dem Weg und sie sagten, damals vor 200 Jahren, als man es baute, hätte es das Hotel und die Autobahn noch nicht gegeben. Wir aßen Beef Rizet und eine Petenchka. Kurz vor der Grenze bekamen wir eine Nachricht. Wir waren erleichtert und auch ein bisschen traurig. Selbst der Stau war dann schön mir ihr. Marijan schrieb uns unterwegs, dass der Sommer nun wirklich vorbei wäre. Unmittelbar nach unserer Abreise kam der Regen nach Piran und ein wenig später die Flut und der Sommer ging direkt in eine Katastrophe über […]