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BYND

Konstantin Arnold

TO LOOSE

TO LOOSE

Es ging damit los, dass sie mir nicht helfen wollte, obwohl ich ihr immer helfe, wenn sie zu lange packt und wir los müssen und der Müll raus muss und die Blumen gegossen werden, der Abwasch und was mit dem Zeug im Kühlschrank passiert, wenn der Müll schon draußen ist. Alltag einer Liebe, die auf Reisen gemacht wird, also glauben sie nicht, dass jede die Persönlichkeit eines Menschen aus seinen Beziehungen entlässt. Ob sie die Geschwindigkeit ihres Gangs im Flughafen mit Absicht verlangsamt, wenn sie mein Ticket hat, will ich nicht sagen, nur dass sie mir wieder sagt, dass ich doch vorgerannt bin. Dadurch sind wir eher alleine nach Toulouse geflogen, als miteinander, wie immer, außer dass es mittags war und wir nicht so müde, wie sonst. Sie saß am Gate und schaute aufs Handy und ich in die Luft. Irgendwann nahm ich ein Buch raus und sie hörte auf, aufs Handy zu schauen und ich glaube, sie schaute so, also ob ich immer ins Buch schauen würde. Im Flugzeug nickte ich dann ein, träumte von Trennung, daran mit einer anderen zu sein, der Frau eines anderen, mit der alles anderes wäre und nichts so aufregend wir mit ihr. Ich träumte von Kraft, aber gegen die Liebe verlieren die Besten und kann sie nicht am Spieltisch testen. Aber ich will nicht schon wieder damit anfangen, es ist immer irgendwas anderes und das ist immer das gleiche. Ich kanns selbst nicht mehr hören. Also, sprechen wir über Toulouse. Toulouse ist erst mal eine sehr römisch Stadt, planmäßig pastell und backsteinfarben, Ahornbäume am Fluss, deren Blätter über die Mauern hängen, Hauptstadt Okzitaniens. Die Stadt liegt am Ufer der Garonne, zwischen Mittelmeer und Atlantik und weit von Paris entfernt. Sie ist die viertgrößte Stadt Frankreichs, aber wen interessierts. Wir kennen die Stadt vom Vorbeifahren. Ein Ort zwischen den Orten, der mehr als nur einen Halt letzten Herbst verdient. Wir waren gerade auf dem Weg von Biarritz in die Provence und hielten zum Lunch. Es war eine Welt, die wir nicht kannten, und Dörfer mit Burgen drauf. Ich stellte mir Toulouse an diesem Nachmittag schön vor, junge Leute, und eine Liebe, von der man sich nach einem Wochenende verabschieden muss. Wie soll man eine Stadt sonst erfahren, aber Toulouse kennen selbst viele Franzosen nicht und niemand, den wir danach gefragt haben, war je da. Der Plan war eine Weile hier zu sein und dann auf einen Berg zu klettern, den wir damals im Vorbeifahren gesehen hatten, weil man, wenn man von Biarritz in die Provence fährt, die ganze Zeit an den Pyrenäen vorbeifährt und sich fragt, wie man die schreibt. Als wir ankamen, waren gerade Mitte Juni, La Fête de la Musique in der Stadt. Wir wohnten in einem fürchterlichen Hotel, nicht weit vom Place St. Geroges, in dem sie die Drinks auf der Dachterrasse in Plastikbechern ausschenkten, weil das die Badeordnung so will. Drinnen roch es nach Deodorant, das über Schweiß gesprüht wurde, der im Teppich steckt. Die Farben der Inneneinrichtung waren krebserregend. Keine Ahnung, wie wir hier landeten. Ich brachte meine Sachen aufs Zimmer und ging sofort raus und wartete auf einem runden Platz auf sie. Ich hatte mein Telefon im Hotel gelassen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, sich zu verpassen. Es war nachmittag, oder früher Abend in Frankreich. Mein Hemd war drei Knöpfe weit offen, hätten auch vier sein können, aber ohne das Gefühl des sanften Verzichts. Die Luft war sanft und warm und die Leute hatten Hoffnung und saßen bei ihren Drinks an den Tischen und vollbrachten das große Wunder zu leben. Es sah ganz danach aus, als hatte der Morgen sein Versprechen auf Zeit über den Tag lang halten können. Die Bedienung kam und wollte das man gleich zahlt und sagte auf English, what do you want. Die Franzosen haben ein Misstrauen ihren eigenen Leuten gegenüber und ihre Etikette ist über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus. Nach den ersten zwei Gläsern freute ich mich ein bisschen auf sie und den Moment, in dem sie um diese Ecke kommt. Das lag aber eher am Moment, und ich wollte mir den nicht nehmen lassen, auch nicht von ihr. Ich hatte an so vielen Hotelbars genauso auf sie gewartet, vom Barmann dieses oder jenes erfahren, bis sie im Kleid die Treppen runterkam und ich ihr verzieh. Wenn das Kleid nicht so schön war, näherte man sich mit organisatorischem an […]