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BYND

Konstantin Arnold

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Irgendwann, das wusste ich, ist irgendwas. Irgendwann würde ich an das Haus unten an der Ecke denken und wie man es vom Fenster ausgesehen hat und wie es da so stand, unten, an der Ecke, immer blau und immer da, wo die beiden Straßen sich kreuzen, die aus zwei verschiedenen Vierteln kommen und ich immer dachte, dass irgendwann irgendwas ist. Ich würde an das Haus, unten an der Ecke, denken und mir denken, wie ich mir nie weiter was dabei dachte, wenn ich das Haus sah und wie ich jetzt nur noch an das Haus denke, wenn ich an diese Zeit zurückdenke und daran, was von dieser Zeit geblieben ist, nachdem man sie umstellte. Das Haus ist geblieben und auch die Erinnerung an das Haus und an einige Leute, die nichts mit dem Haus zu tun hatten, sondern nur mit dem, was sie fühlten und damit, dass es für sie Sinn machte. Lange Entdeckungsreisen sind geblieben, auf denen wir die ganze Stadt und die Elektrische ganz für uns hatten und an vielen magischen Orten vorbeikamen, die wir kannten und die wir nicht kannten.  Sie waren aus einem Weiß, das viele Farben hat. Das Weiß der Kirchen und das Weiß der Heiligen und der Jacaranda des Lilas. Das harte weiße Licht der Plätze mit ihren abgeschlossenen Bänken drauf, denen man ihren Ausblick doch nicht nehmen konnte und der Straßenbeleuchtung und der Bäume, die ihr allererstes Grün trugen. Seitdem und seitdem ich die Stadt liebe und seitdem ich ein Mädchen in der Stadt liebe, die ich liebe, sehe ich etwas, das keiner sieht oder jeder, aber jeder sieht es anders. Ich sehe sie in der Stadt durch meine Augen und dann sehe ich sie durch die Augen der Stadt eines anderen und sehe sie nicht, nicht mehr so, wie ich sie sehe. Denn alle, die wir blieben und gingen und hier waren und nie wahrhaft hier gewesen sind, tragen eigene Lissabons in ihren Herzen, es gibt so viele, verschiedene, manche von fantastischer Größe, andere so klein, aber alle sind fußläufig, die, die es gibt und die, die es nicht gibt, weil sie in dieser Größe auf keine Weltkarte passen und außerhalb der Zeit liegen und bis an den Rande eines Bewusstseins reichen. Erst erliegt man den Sehenswürdigkeiten ihrer Reize, dann dem zwischen den Reizen und dann dem, in den Reizen drin. Mit dem neuen Wissen fängt man dann wieder von vorne an, geht tiefer, nochmal rein und dazwischen und wieder raus, lernt seine eigenen Sehenswürdigkeiten persönlich kennen, wie neu, lernt ihre Vornamen und die Vornamen ihrer Frauen und die ihrer Kinder, weiß genau, warum die dastehen, seit Jahrhunderten, Patina schwitzend zu Attraktionen geworden sind, die bis ins entlegenste Viertel reichen. Dann sieht man es wirklich und sieht es überall und spürt nicht nur wie es ist, hier zu sein, sondern wie es ist, ein ganz bestimmter Mensch in dieser Stadt zu sein, der liebt und weiß und immer mehr liebt, je mehr er davon wissen will, weiß, warum das Schöne das Echte ist und das Echte nicht immer das Schöne. Ein Leben in Lissabon zu schreiben, das sich lebt, wie sich ein gutes Buch lesen lässt, wieder und wieder und man immer mehr findet, je öfter man es gelesen hat. Man kann nur lieben, was man sehen kann und vielleicht ist genau das, was man nur selbst sehen kann, das einzig wahre, weil die anderen nicht das fühlen, was da hinter dem Sehen ist. Vielleicht wird man im Leben genauso groß wie […]