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BYND

Konstantin Arnold

PROMINENT

Es dauert nicht lange, um sich wieder an die Dinge zu gewöhnen, die wir auf den letzten zehntausend Kilometern so angepriesen haben. Eine eigene Toilette mit reinlichem Wohlfühlfaktor, ein Einzelbett ohne Mario und die modische Bereicherung von unbenutzter Wechselwäsche. Wegen unseres akademischen Hintergrunds haben wir aufgehört Früchte zu tragen und die Arbeit zwischen den Weintrauben hinter uns gelassen, um uns von der ersten Bezahlung ein direktes Rückfährticket in das normale Leben zu leisten. Auf dem Schiff haben wir nach starkem Kaffee mit Rührei morgendliche Seeluft geatmet und entschieden, dass Glück kein Zufall mehr sein kann. Es ist Freiheit an Möglichkeiten, die man sich am Vorabend sorgsam zu Recht legt und mit dem Verbindet, was einem das Leben aufmerksamer Weise vor die bewanderten Füße wirft. Eine Einstellung im Umgang mit den Hausaufgaben, die die Gegenwart für uns bereitzuhalten scheint und idealer Weise nur im Rückblick ein Sechser im Lotto. Ohne die Ablenkung, die das einfache Leben zu bieten hat, kann man folglich so weit in sich gehen, bis einem schlecht wird. Zurück in Raglan habe ich neben mütterlichem Urvertrauen noch vierzig Dollar. Die Hälfte davon wollen wir in etwas frisches Gemüse investieren und uns mit der anderen das Bier und Benzin nach Auckland teilen. Eigentlich könnte es eine dieser Nächte sein, in denen man aufgeregt schon nach dem Abendbrot einschlafen möchte, weil man gut erholt auf Wellen treffen will, die das Tiefdruckgebiet des Sommers ab morgen an Neuseelands Westküste schießt. Ist es aber nicht! Und das obwohl wir erst seit einigen Tagen einen ruhenden Motor und gastfreundliches Familienprogramm genießen können. Weil wir mehr vom Leben wollen, als eine gut getaktete Internetverbindung, kaufen wir einen Karton Double Brown im Kühlregal und warten bis Simba seinen Chef davon überzeugt hat, eine halbe Stunde früher den Löffel hinzulegen. Trotzdem ist es spät, als wir uns zusammengequetscht in einem weißen Subaru mit Allrad wieder finden. Auf dem Weg in eine Stadt, die die wenigstens von uns bereits nüchtern bewundern konnten. Mittlerweile ist es fast elf und ein Großteil der Anwesenden, muss in weniger als neun Stunden wieder unausgeschlafene Brötchen verdienen. Einer muss fahren. Das Dosenbier aus dem Kühlregal ist so eisig, dass man es eigentlich nur mit einer Waffel genießen kann und die meisten unserer Witze brauchen für Außenstehende eine deutsche Bedienungsanleitung. Trotzdem lachen wir von Herzen, wenn wir daran denken, dass wir wie verpickelte Groupies durch neuseeländische Nacht heizen, um für türöffnende dreißig Dollar einem lustigen Australier beim Plattendrehen zuzuschauen. Paul Fischer ist ein Musterbeispiel für den Wahnwitz der Berühmtheit und plattendrehender Beweis dafür, dass man mit einigen schlechten Fernsehsendungen selbst den rothaarigen Informatiker von Nebenan zu einer Unterhosen- werbenden Sex Ikone machen könnte. Natürlich sind wir neidisch, weil wir neun Dollar für ein kleines Bier bezahlen und Paul gerade dabei ist eines seiner freien Corona über das Mischpult zu schütten. Vor der Bühne ist es eng, und ich wünsche mir auch eine dieser schlechten Fernsehsendungen, sofern ich dadurch etwas mehr Beinfreiheit genießen kann und uns die Türsteher nicht vor Ende der Show zum Ausgang bitten. Letzten Endes sind unsere untersagten Kopfbedeckungen daran schuld, dass wir den Club noch vor drei verlassen müssen. Auf dem Heimweg sitze ich auf dem Beifahrersitz und habe das Gefühl, dass sich das Kapitel Neuseeland dem Ende neigt. Ich war ein deutscher Student in Hamilton, ein Fremder in Raglan und ein einheimischer Surfbrettverkäufer an der Ostküste. Ich war ein Tourist auf der Südinsel und betrunken in Auckland. Ich habe alles gelebt, so fühlt es sich jedenfalls an. Ich frage mich, ob ich bis auf den Haarschnitt anders geworden bin und gehe in betrunkener Sorgsamkeit die Bekanntschaften durch, von denen ich denke, dass sie ein Leben lang halten werden. Eine davon bittet […]

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