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BYND

Konstantin Arnold

PARIS

PARIS

Die romantischste Stadt der Welt ist für uns eine Notlösung. Nur Mittel zum Zweck. Erst Neulich, weil wir unseren Flug in Rom verpassten und der nächste zwölf Stunden Aufenthalt in Charles de Gaulle hatte und jetzt wieder, weil wir in Lissabon leben und nach Deutschland mussten und die Deutschen denken, dass Portugal von Mutanten regiert wird. Also konnten wir nicht direkt fliegen, sondern nur bis Paris, um dann wie internationale Haftbefehle heimlich mit dem Zug einzureisen. Das erste Mal Paris war eigentlich ganz schön. Jardin du Luxembourg, früh am Morgen, metallischer Regenhimmel, typisch Paris. Beim zweiten Mal war es genauso nur noch mit Wind und all den Erwartungen, die wir beim ersten Mal nicht hatten, weil ich beim ersten Mal dachte, dass es sowieso scheiße wird, sobald ich meine angelesene Phantasie von der Stadt mit ihrer Realität vergleiche. Aber so war es nicht und diesmal konnten wir mit unseren angefangenen Erinnerungen weitermachen. Oder eben nicht. Man kann bei all den Erwartungen, die Paris aufspannen fast nur eine Scheißzeit haben, gerade als Liebespaar, und vor allem als Autor. Es fühlt sich komisch an, Autor in Paris zu sein, und dazu noch Verliebter. Ich könnte das nie länger als ein paar Tage durchhalten. Da wären zum einen die Frauen, die viel zu direkt sind. Der französische Weg ist ein direkter Weg zu den Ursprüngen der Menschheit zurück. Zum anderen die Weinpreise, die für einen Schriftsteller so wichtig sind, wie der Ölpreis für Schwerlasttanker im arabischen Golf. Mal schnell vierzig Euro für die Flasche und da hat man noch keinen Espresso für fünf Euro getrunken. Und keine Zweite. In Lissabon ist das nicht so, aber Paris muss gar nicht schlecht sein, damit Lissabon gut ist. Lissabon ist heute nur so viel mehr Paris als Paris, der Liter für vier Euro, Hallo? Wir haben das gleich im ersten Bistro miteinander diskutiert. Meine Freundin meint, das wäre schon immer so gewesen, ich sage, nein das wäre nicht so. Die Ländlichkeit wurde aus den Gassen vertrieben und aus den Gassen hat man Laufstege gemacht, mit Verkehrsschildern dran und voll mit parkenden Autos. Es ist eine ausgestopfte Kultur, die höchstens Amerikaner und Chinesen noch für die alte Welt halten, ohne Schatten, voller Schaufenstern. Ich sehe mich in diesen Schaufenstern vorrübergehen und sehe nicht gut aus. Die Stadt steht mir nicht, sie rennt an mir vorbei, ihr Parfüm weht durch Arkaden und wird von Karikaturen umhergetragen. Alle eilen irgendwo hin, nur wohin? Sie eilen in den Tod und man fühlt sich, wie man sich in einer hellen, teuren Boutique fühlt, wenn man sehr alte Klamotten trägt und stinkt und noch nicht sterben will. Paris ist eine hektische Stadt, oder mir fällt erst hier auf, wie schön langsam Lissabon ist. Wir haben halt nur nicht solche Terrassen, solche Markisen. Sie leuchten auf den Bürgersteigen wie Galaxien, Zeremonien der Zivilisation, die Bravour der Geselligkeit. Es gibt nichts Schöneres für eine Hausecke auf der Welt, als ein Pariser Eckcafé zu werden. Ein Wiener Eckcafé ginge auch, aber die Cafés in Wien finden drinnen statt, in Paris sind sie draußen. Selbst die hässlichsten sind schön. Kosmisch gemütlich, vor allem bei Nacht. So voller Leben. Normal erwachsene Männer mit normal erwachsenen Frauen, die sich in jenem Rhythmus wiegen, der die Welt bewegt. Vor einer Flasche Wein. Diese Cafés sind die Bühnen der Boulevards, auf denen das ewige Schauspiel der Menschheit aufgeführt wird. Der Wert, den dabei alles Geistreiche in Paris, ach in ganz Frankreich, einnimmt ist phänomenal. Eine Gesellschaft, die das mit dem Rauchen noch versteht, denn sie rauchen nicht wie die Deutschen, die das nicht verstehen, und sie sitzen auch nicht so im Café oder fahren mit dem Zug, sie tun das alles lebendiger, geistreicher. In den Parks wachsen Kastanien, über die man im Herbst laufen kann. Im Sommer sind die kopfhoch geschnitten. Menschen sitzen da und haben was zu klären haben. Französisch ist eine gute Sprache, um Dinge zu klären und wir wollten sowieso seit Tagen mal reden. Ich hatte mir nach einem Streit zwei Seiten notiert, aber nie den richtigen Moment gefunden, so wie man ihn unter den Kastanien findet oder den Markisen der Closerie des Lilas, oder […]