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BYND

Konstantin Arnold

HOTEL AM NACHMITTAG

HOTEL AM NACHMITTAG

Sie fragt, ob alles klar sei, ich wäre gestern komisch gewesen. Ich hätte antworten können, dass ich plötzlich einfach müde war, wie jeder normale Mensch, der das sagt, weil ihn seine Gefühle verwirren und er die liebe spürt und die Anziehung einer anderen zur gleichen Zeit. Man sieht die Frau, die man liebt ganz klar und die, die einen anzieht, am Ende der dunklen Bar eben nicht, obwohl man weiß, dass das, was man da im Dunkeln denkt und gesehen hat, im Hellen nicht hält kann und man die Frau, die man liebt, wieder will. Auf dem Heimweg denkt man darüber nach. Aus Sehnsucht, mich in Worte zu fassen, Straßen, Fado, Bilder, Schlägereien, Wege, die Gefühlen manchmal nehmen um sich auszudrücken. Man leidet und ist voller Spitzen und erst die Dunkelheit jagt das Glück fort und trägt die Furcht, sich zu verlieren, so nahe, dass man sich wieder erkennt. Sie sagt irgendwas, als wäre ich ein Mann, der…und ich versuche es nicht zu berichtigen, es führt zu nichts. Ich müsste die Herkunft meiner Gedanken erklären und die ist unerklärlich, ich weiß nicht woher sie kommen. Ich fürchte, sie könnte denken, dass…, frage aber nicht, sondern mache nur eine dämliche, zärtliche Geste, um mehr herauszufinden, auf die sie mit einem gezwungenen Lächeln reagiert und ich denke, was für ein Idiot ich doch bin, sie in so eine Situation zu bringen und zu fragen, wenn sie doch klar die Kraft aufbringt, wenigstens nicht darüber zu sprechen. Ich sage also nichts. Sie würde mich erstaunt angucken und fragen, wie ich sowas denken kann und ich wäre zu weiteren sinnlosen Verteidigung gezwungen, von etwas, das zu wahr ist, dass man es sagt. Man sagt immer sowieso immer was und fordert dann Milde vom Schicksal für das Gemeinte. Es ist ein scheinheiliges Bedauern, wie Glaube, der doch nichts anderes als die Bestechung des Schicksals ist. Er gewährt einen Kredit, dann warnt er und schlägt zu, wie in den Bildern der spanischen Meister. Ich fürchte die Zukunft nicht. Sie wird zu Gegenwart bevor sie uns trifft, nur, dass die vergeht und etwas einen Wert bekommt, der mir entging. Ein Wort, dass sie sagt, ein Schmuckstück, das mir nicht auffiel, ein Moment, der durch Erwartungen zerstörte wurde und all das, was die Gegenwart schwer macht, bis das zurückbleibt, was sie war, eine schöne Erinnerung. Oder ein dann verpasstes Leben, keinen Schritt weiter, wäre verheerend, interessiert aber keinen, wenn man ihn nicht geht. Ich lebe lieber hier, als ihn woanders zu gehen. Das soll jetzt nicht sagen, wie egal mir das Leben ist, das zeigt, welchen Wert die Stadt für mich hat. Es gibt nichts Vergleichbares, außer sie und nichts, was sich besser mit ihr vergleichen ließe, als diese Stadt. Ich bräuchte es nur mit meinem Gefühl für Lissabon zu vergleichen und alles, was ich in fühle, wäre okay, meint sie, den Kopf auf meiner Brust, in einem Hotel am Nachmittag, den Blick starr im Raum. Andere Städte hätten mich für zwei Tage in Bestform, aber Lissabon in einer Form, die ich als das Gegenteil empfinde. Nur manchmal ist mir Lissabon doch egal und wir finden andere Städte schön, nicht so schön, aber zumindest für eine gewisse Zeit. Wie ich das auf die Liebe beziehen soll, kann ich nicht sagen. Du wirst einen Weg finden, sagt sie, du musst es sagen können, dann kann es auch sein. Oder du hörst auf, Frauen mit Städten zu vergleichen. Nur, weil man nicht immer und überall leidenschaftlich sein kann, heißt es nicht, dass man ohne Leidenschaft ist. Man denkt danach immer, es ist weg, aber es kommt immer wieder, wie Zeit zum schreiben oder gute Zeiten nach Schlechten. Das Denken und die Angst gehören einfach dazu. Sie hätte gelernt, dass man sich schlecht fühlen kann und plötzlich gut und umgedreht und dass es so eigentlich egal ist, wie man sich fühlt, wenn alles, was der Fall ist, die Suche ist, und die ganze endlose Suche dem gilt, wovon alles, nur die Übersetzung ist, heißt es immer lieben und nie ganz. Sie sehe das, wie man einen Sonnenuntergang sieht, der das Licht mit letzter Kraft gegen die Wolken knallt und sie zum Brennen bringt. Immer und immer wieder neu und in den Straßen der Stadt schon Nacht. Ein neuer Körper, ein anderer Duft, Lippen, die sich verziehen, wie man es noch nicht gesehen hat, das ist wundervoll, aber nichts gegen das vertraute Stöhnen eines Menschen, der weiß, was wir wissen. Du musst lernen, dass alles in deiner Vorstellung besser oder schlechter ist, als hier, in einem Hotel am Nachmittag, in einem Bett der Belle Époque. Jedenfalls sehen die Wände des Hotels so aus. Sie formen unsere Lippen aus misstrauischen Gedanken. Klingen wie Séparées und Türen in Wänden, von denen wir nichts wussten. Sie führen ins Bewusstsein unseres Unterbewusstseins, in aufregend, geheime Räume, in denen Treue und Untreue und was das alles soll diese bürgerliche Schwere verliert. Das eine kann das andere sein und noch viel schlimmer. Ihr Parfüm riecht wie der kalte Morgen eines anderen Landes. Sie steht gut ausgezogen am Fenster. Zierlich, wie eine Amazone mit einem Glas Hand. Braun von der Sonne und sorglos in ihrer […]