IM HOTEL AM NACHMITTAG
Ich fürchte die Zukunft nicht. Sie wird zu Gegenwart bevor sie uns trifft. Da ist nur eine Angst, neben all den anderen und der, diese Geschichte beim Schreiben zu versauen. Eines Tages in diese Stadt zu kommen, als einsamer Mann mit Mantel, und nicht mehr hier zu sein, an einem Regentag im November. Eine große gescheiterte Liebe später am Miradouro Santo Estêvão zu stehen, inmitten von allem, aber kein Teil mehr davon, von den Häusern, von den Menschen, die hier leben. Den Kopf in den Kragen gehüllt. Vor einem Caféfenster im Regen. In der Gasse, die die beiden Plätze verbindet. Drinnen ist es gemütlich und warm. Man sieht Menschen an den Tischen sitzen, reden, lachend, lautlos durch Glas, gemütlich und beschlagen wie in einer Erinnerung. Den eigentlichen Wert von etwas erkennt man, wenn man ihn rückwärts im Regen durch Glas betrachtet. Kein Gefühl des Versagens, kein Unheil dringt dort ein. Keiner muss keinem was beweisen, nicht mal sich selbst. Man sieht sich im Fenster, im Regen, nicht in allem und jedem. Denkt nicht über Gedanken nach, bevor man sie hat. Hat sich an alles gewöhnt, nur an die Liebe, an Lissabon nicht. Tritt aufs Pflaster, aber der Boden verbindet sich nicht. Ein alter Bekannter fragt wie es geht, ein Mütterchen erkennt mich wieder, der Fleischer grüßt, der Laden, in den wir immer gingen, ist zu. Es gibt jetzt andere Läden, mit anderen Menschen. Man hört Schiffe kommen, wie immer, die Glocken der São Vicente dreimal, Möwengeschrei. Ein Schiff mit fünf Segeln im Hafen, an den Masten wurden Lichterketten angebracht. Kastanienrauch in der Luft dieser Zeit. Man sieht die Welt und sieht, dass die Welt noch gut ist, sich aber ohne einen weitergedreht hat. Die besten Sommertage im Herbst, der Fluss himmelblau, silbrig, ich hoffe nur, dass das jeden Tag jemand sieht. Die Dachziegel rot und schön übereinandergestapelt. Das kann man doch nicht einfach ungeschrieben stehen lassen. Den Charme der Denkmäler, die Klarheit der Kontur, die Weichheit des Ganzen, das Auseinandergehören der Töne im Licht. Alle Erinnerungen an alle Zeiten, die wir hatten und nicht halten konnten, die uns vergingen, wie ein schöner Tag im Herbst. Ich sehe ihren Wert davon ganz klar, ohne dass wir ihn verloren hätten. Es ist mehr die Erinnerung eines Verlusts, als der Verlust selbst. All die Straßen und Plätze über die ich ging, mit dir und ohne dich, vor dir, nur nicht danach, nirgendwohin. Die Versprechen, die ich dir gab, die Hoffnungen, die wir teilten, Reste von Träumen in den Straßen der Stadt. Eine unerreichbare Welt in die Zeit zurück. Ich lebe besser hier, als woanders zu sterben. Das soll nicht sagen, wie egal mir das Leben ist, das zeigt, welchen Wert diese Stadt in mir hat. Es gibt nichts Vergleichbares, außer sie und nichts, was sich besser mit ihr vergleichen ließe, als diese Stadt. Durch sie habe ich […]