IDOL
Die Flitterwochen sind vorüber. Nun zeigt sich Taubenscheiße auf den romantisch hervorstehenden Balkonen und der fließende Verkehr zieht sich in Wahrheit wie stundenlanges Kaugummi durch die Straßen der Stadt. Der Marktplatz vor dem Haus ist nicht mehr schön und frisch und authentisch, sondern muss morgens unbedingt schon vor Sonnenaufgang beliefert werden. Mit sieben Lastern, die frische Früchte und lautes Treiben vom Land bringen. Und Schinken, der zwar in Portugal groß geworden ist, aber in Spanien seine luftgetrocknete Vollendung finden durfte. Das läuft immer so, die Spanier können das mit dem Lufttrocknen einfach besser. Und das mit dem lautlosen Markt beliefern. Laster, Treiben, Serrano-Schinken klingen zusammen nicht mehr nach einer südländischen Symphonie, nach wildem Temperament, sondern wie die Abgase eines wütenden Orchesters. Wie ein Lieblingslied, das leider zur falschen Zeit läuft. Wie plötzlich Pickel! Auf einem Gesicht, das bisher so schön geglänzt hat. Sonnenverbrannt, aalglatt. Nichts auszusetzen. Makellos bis auf den allerletzten Backstein. Kein Stau zu lang, kein Laster zu laut, kein Tag zu heiß und keine Bedienung zu langsam. Und wie über Nacht sind die Hügel plötzlich zu steil, der Ausblick zu weit, die Balkone voller Scheiße und die Langsamkeit läuft fast schon rückwärts. Alle Fenster zu, alle Affen tot und im Sommer gibt’s dann keine Frischluft, die nicht vom Lärm verseucht ist. Alles schreit zu verständlich, wenn man anfängt Portugiesisch zu sprechen und in den Unterhaltungen, die uns im öffentlichen Nahverkehr umgeben, soweit Kronjuwelen vermutet hatte. Rosenblüten des Dialogs, die mehr vom Leben fordern als nur schlecht bezahlte Arbeit. Fragen des Durchschnitts, Antworten der Gewohnheit, das Allerprofanste. Oder, wie erst gestern im Bus, die letzte Hoffnung in einen Präsidenten und seinen schicken Pullunder, einen echten Mann des Volkes, der im Sommer mit weißem Haar und ohne Leibwächter schwimmen geht und pro Tag ein Buch liest. In Lissabon geboren und in Merino und Alpaka aufgewachsen. Keine Fauxpas, keine Affären, bis auf den Pullunder. Alles, was er sagt, sagt er mit einer Stimmlage, der man glaubt, weil sie brummt wie die eines Vaters. Oder noch früher das Wort Gottes. Nett, auf eine unfreundliche Art und Weise. Alles, was er ins Mikrofon sagt, klingt nach der allerletzten Wahrheit, wie alles wird gut. Alles, in einem Land, das soweit gut ohne Nachrichten ausgekommen ist, weil mein Speisekartenvokabular keine Naturkatastrophen und Skandale übersetzen konnte. Maximal den Wetterbericht und das Madonna mitten in der Innenstadt ein belegtes Brötchen gegessen hat. Einfach so! Auf offener Straße. So eine Hure. Grund zum Auszusteigen, obwohl der Bus noch nicht ganz dort ist, wo ich hingehöre. Zwar da, aber nicht ganz […]