FÜR GEWÖHNLICH
Sitze im Café Nicola und warte mit Absicht. Vor mir ein leeres Glas Portwein und hinter dem Portwein liegt der Platz, heiß und hell in der Sonne. Ich kann den Platz sehen und wie er sich in meinem Glas Portwein wiederspiegelt. Mich kann ich auch sehen und ein bisschen von der Burg, die man hier von überall ein bisschen sehen kann. Das Meer kann man nicht sehen, es ist zu weit weg. Man sieht nur den Platz und den Portwein und noch mehr Platz und weiß, wo das Meer ist. Ein paar gutaussehende Portugiesinnen eilen auch vorbei und einige andere, die mir aber nicht auffallen. Sie eilen durch die äußere Einrichtung meiner inneren Welt, die langsam im Portwein versinkt. Man erkennt ein gutes Glas Portwein nicht am Geschmack, sondern an den Strukturen an der Innenwand seines Glases, die sich bilden, wenn man einen kräftigen Schluck genommen hat, Zeit hat, absetzt und wartet. So blank ist, wie ich und hofft, dass im Glas immer noch was geht, auch wenn es lange leer ist. Ich trinke also ein bisschen, schreibe ein bisschen, lese ein bisschen. Die Kellner reden ein bisschen viel, weil außer mir niemand hier ist, mit dem sie sonst noch reden können. Keine Märchen von Mädchen, keine Fünf Uhr Flaneure. Keine Attraktionpilger, die hilflos vor portugiesischen Speisekarten schwitzen, keine Priester, die ihnen da raushelfen. Es war das Jahr, in dem die Touristen nicht kamen und Santos Populares nicht war und keiner meine Geschichten druckte und ich viel im Café Nicola saß und Neil Young irgendein neues Album rausbrachte. Ich las in der Zeitung darüber, die ich mir im Kiosk vorm Nicola gekauft hatte, und las über die Mühe, die sich Neil Young dabei gab oder nicht gab, las, dass irgendwo viele Menschen ums Leben kamen, während ich abgefackelt im Nicola saß und andere Sachen las und Sachen, von denen ich nichts verstand. Ich fühlte mich wie ein verlassenes Feld, das sich in der Abenddämmerung im Wind bewegt, aber nochmal zum Platz, der ein sehr portugiesischer Platz ist, weil man ihn wie eine Avenida entlang gucken muss und auch die Ereignisse, einer Avenida ähnlicher sind, als denen eines Platzes. In der Mitte steht zwar ein Heiliger oder ein Tyrann, der heiliggesprochen wurde und drum rum ist auch Platz, aber dann kommt erst mal Straße, die das Platzhafte kaputt macht. Der eigentliche Platz beginnt dann hinter den Straßen und unter den Bäumen und Markisen, unter denen sich viele Cafés verstecken. Sie verstecken sich nicht so wie sie sich in Spanien vor dem Sonnenlicht und der Hitze verstecken müssen, tief unter Arkaden, die einmal um den Platz herumführen. Und auch nicht, wie in Frankreich, wo sie sich gar nicht verstecken, sondern prätentiös auf den Bürgersteigen präsentieren und zu Bühnen ihrer Zeit geworden sind. Die Tische stehen wie Prediger und die Stühle wurden wie Gläubige aufgestellt, die immer zum Platz hinzeigen, weil da Mekka ist oder irgendwas anderes ist, an das die Franzosen glauben. Gott ist es nicht. Es hat künstlerische Gründe. Denn die meisten Kathedralen gehören in dort der Kunst. Ich kenne nur eine Kirche in Paris, die Gott gehört und die ist abgebrannt, war aber auch kein guter Ort zum Beten. Die Kirchen in Frankreich sind generell zu schön, um zu Glauben, weil man nicht glauben kann, wie schön die sind. Viel zu schön, um reinzugehen und wenn man in ihnen ist, fühlt man sich schuldig, sündig, beschmutzt. Die in Spanien dagegen sind so düster und dogmatisch, wie die in Portugal hell und hübsch sind. Am liebsten habe ich die Basílica da Estrela, weil die sehr hoch ist und wenn Sommer ist und draußen alles heiß ist, kehrt man gerne ein, kühlt sich ab, schaut sich um, fühlt sich klein, gut und kalt. Auch die Igreja de Sao […]