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BYND

Konstantin Arnold

GUSTO

Ich habe für zwei Wochen keinen Weg auf mich genommen, den ich nicht bequem mit dem Skateboard hätte erledigen können. Ich habe Notizen ausgehalten, bis sie zu richtigen Geschichten gereift sind und meinen Bademantel einfach bis zum Mittag anbehalten. Hobby: Drei Bücher zum Nahen Osten in vier Tagen lesen und mit Hund im Wald spazieren. Alles überdurchschnittlich gut gebräunt. Ein paar Bilder von mir und dem Hund aus dem Wald gibt es auch, nur dann kam Kopenhagen. Ich wollte diese Geschichte eigentlich “Dilettant” nennen, nur dann kam Kopenhagen. Bis dahin hatte ich mir eingebildet, dass nichts so spannend ist, wie Urlaub im Nirgendwo. Bewusst Leben mit Müsli zum Frühstück und keinem Schnitzel mehr nach den Tagesthemen. Nur dann kam Kopenhagen. Bewusst Leben! Sich also permanent bewusst sein, dass alles eigentlich nur eine Show ist, die Erde eine Kugel und dann ab in die Klapse. Oder eben nach Kopenhagen. Fakt ist, dass es Luxus ist, wenn mir jemand auch nur einen Euro dafür zahlt, dass ich dort mal wieder die Zeit meines Lebens hatte. Gut, der Abschied. Immer wieder der gleiche Blues: wieder verkatert, wieder ein bisschen verliebt, wieder zu spät für den frühen Flug. Mir fehlen die Stunden, die wir nicht zusammen verbracht haben. Auch, wenn es immer mehr sein könnten und immer weniger, wenn es dann doch zu viele waren! So wie mit dem Geld, der Zeit oder Tequila. War es deswegen so schwer einen Artikel über diesen Wahnsinn zu schreiben, ohne sich mit zu viel Seriosität vor Skateboarding oder zu viel Skateboarding vor der Seriosität lächerlich zu machen? Fakt ist, gegen die Kopenhagen Open wirkt das Streetleague-Ereignis vor zwei Wochen, wie ein überteuerter Clubbesuch, in dem beim Tanzen plötzlich das Licht angeht und man seine müden Augen nicht mehr im Disconebel verstecken kann. Es ist grell, es ist warm, es ist noch viel greller und leider die Wahrheit. Was für ein Stilmittel! Jedenfalls Franky Villani, einer von zehntausend Skateboardprofis. Muss man nicht kennen, wenn man im Mittelfeld groß geworden ist, kannte ich bisher auch nicht, aber dann..kam Kopenhagen. Dieser Publikumswonneproppen steht, wie kein anderer für die Fleischwerdung des Skateboarding und den alten Schulfreund von damals, mit dem man nachmittags immer Cornflakes gegessen und King of Queens geschaut hat. Mein persönliches Highlight und was für schöne Erinnerungen! Damals, als das viele Reisen noch eine leidenschaftliche Utopie war, eine nicht enden wollende Begierde, eine ungestillte Sehnsucht oder einfach viel zu teuer. Oder damals, als sich die Stimme der Strandpromenadenmusikerin in Tel Aviv eingebrannt hat, wie ein unvergesslicher Sonnenbrand. Oder damals, als mir meine Oma sagte, dass ich so schön volles Haar habe und seither keine Mützen mehr getragen […]

 

VISITE

Wir sitzen auf dem Parkhausdach eines laktosefreien Familienviertels mit Ausblick und frühstücken angebrochenen Jack Daniels und kalte Quattro Stagioni ohne dass uns dabei schlecht wird. Ich glaube, wir sind unseren Erwartungen gerecht geworden, weil wir in eleganter Wintermode in diesen Straßen einfach nicht verkatert aussehen und gestern mit skandinavischen Vorurteilen brechen durften. Kopenhagen im Segen des Handgepäcks. Natürlich erfordert so etwas Vorbereitung. Dafür hat Simon im Flug aus München gelesen, dass Frauen hier unantastbar bleiben, solange man sich selbst vorstellen muss. Ich habe ohne Erfolg den Traum von dänischen Modelkarteien studiert und auf einer Vice Party für kostenlosen Gin Tonic gesorgt. Was kostet die Welt? Über 300 Euro für über 30 Uber-Fahrten an genau drei Tagen. Von einer nächtlichen Sehenswürdigkeit zur Nächsten. Vom Apartment der Norwegerin im Kaninchenpelz zu einer Gay-Bar, die uns wieder auf den Boden der Tatsachen bringen sollte, nachdem wir auf der Hausparty mit hohen Decken keine wirklichen Grenzen kannten. Immerhin haben wir am Flughafen schon beschlossen, dass wirkliche Loyalität auch darin besteht, fehlender Bindungsbereitschaft treu zu bleiben. Obwohl der eigentliche Frauentyp Brooke Shields heißt, sind natürliche Ausstrahlung und bauchfreie Tanzeinlagen auch in Dunkelblond einfach nicht zu schlagen. Genauso wenig wie maritimes Großstadtklima nach der zweiten Packung Marlboro, in guter Zeit und guten Begegnungen, immer noch gesünder ist, als ein ernsthafter Tag im Fitnessstudio. An einem sonnigen Nachmittag sind wir sogar einmal ohne Blitzlicht vor die Tür gegangen und haben Däninnen, die sich nichts aus ihrer Modelkarriere gemacht haben, eingeladen uns bei der absolut übertriebenen Vorsorge unserer Duty Free Einkäufe zu helfen. Meistens war es kurz nach Fünf schon so dunkel, dass wir frisch gewaschen mit dem Abendessen fertig nur darauf warteten, überparfümiert in ein Taxi zu steigen. Nicht weil wir uns in Eitelkeit verloren haben, sondern immer noch die Hemden unserer Ankunft tragen. Wo Simon und Jordan gerade stecken, kann ich nicht sagen. Dafür aber, dass muskeldefinierte Konfektionsgrößen in dänischen Clubs verboten sind und selbst die größten Idioten ihren vorbestellten Tisch und Wodka mit Deutschen im Dispo teilen. Scheitern kann man deswegen eigentlich nur […]