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BYND

Konstantin Arnold

CASABLANCA

CASABLANCA

Casablanca, wie das schon klingt. Klingt wie Humphrey Bogart in Schwarzweiß aussieht, wenn er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder an einem Drink zieht und sagt: „Of All The Gin Joints In All The Towns In The World, She Walks Into Mine“. Die Idee da mal hinzuwollen, kam mir aber bevor ich den Film gesehen hatte. Sie kam mir an Flughäfen auf dem Weg wohin, vor einer Abflugtafel, wenn der Flug wieder gestrichen oder verspätet ist und man Casablanca liest, pünktlich und sich fragt, warum eigentlich nicht. Man hätte etwas unerwartetes getan und könnte seinen Freunden davon erzählen. Ich habe meinen Freunden schon oft davon erzählt, ohne je dagewesen zu sein. Manche wussten nicht, wo das ist, nur die, die schon da gewesen sind, wussten es und fragten wieso ich da hin will, da wäre nichts, nur Islam, eine Weltreligion, ohne Wein. Das Ricks gäbe es auch nicht, also es gäbe es schon, aber so, dass es das auch nicht mehr geben müsste. Das könnte nicht mal ich romantisieren. Es wäre Nordafrika, nicht Bagdad, Teheran, Amman, nicht mal Beirut. Ich nahm die Herausforderung an. Menschen und Orte sind überall und führen sich an ihnen auf. Reisen ist auch nicht nur hier und da nicht. Außerdem hatten wirs bisher an jedem Ort geschafft, bis mittags im Bett zu liegen, irgendwas anzugucken, gut zu essen und uns in der Nacht anständig zu besaufen. Wir leben in einer glücklichen Zeit und über glückliche Zeiten gibt es nicht viel zu schreiben, außer man ist sich bewusst, wie kostbar sie sind und wie leicht sie vergehen, ohne vorsichtig zu werden. Man muss deshalb nicht das Leben eines Bogarts führen, es reicht jemand zu sein, der gerne denkt und das, was passiert, nicht ernster nimmt, als das was nicht passiert und es dann schreibt, als ob es gar nie hätte anders sein können. Es ist vielleicht langweilig, wenn zwei glücklich sind und man nicht mit und will, dass sie es auch nicht mehr sind. Menschen wollen es nicht hören, wenn sie es für sich wollen. Man will nicht lesen, dass sie Straßen gingen, die keinen besonderen Namen haben und in Restaurants aßen, die niemand kennt und Dinge taten, die niemanden so sehr interessieren wie sie. Nicht nur das, aber man hat das eben, was wir alle suchen und kann sich dem widmen, und es, wenn man will, mit in eine Bar nehmen oder ein Tanzlokal oder andere schöne Orte in Casablanca. Gerade wenn es eine glückliche Zeit ist, muss man darüberschreiben. Die Reise begann für unsere Verhältnisse gar nicht so verkatert. Casablanca ist von Lissabon auch nicht weit weg, aber die Fahrt vom Flughafen ins Zentrum. Die dauert und man fragt sich, wann endlich die Stadt beginnt und die Gewerbegebiete aufhören, bis man merkt, dass die Stadt ein Gewerbegebiet ist, keine weißen Häusern, kein Hollywood, kein Genesis, Koran, keine Bibel. Unser Hotel lag direkt am Meer, zwischen Mercedes Autohaus und McDonalds. Es war ein neuartiger Bau, aber der Four Seasons Charme schafft es  trotzdem eine Leichtigkeit zu erzeugen, die nur die Lobby eines guten Hotels in einem erzeugen kann. Vor dem Hotel war eine große Promenade, Boulevard de la Corniche, die nachts zur reinsten Meile werden würde, so der Portier. Wir würden schon noch sehen, aber dazu später. Am ersten Tag machten wir nichts, ein bisschen Sauna und Bett, und warteten darauf, dass uns die Seele nachkommt. Wir reisen heute zu schnell, können unseren Werkstoff aber nicht so schnell von einem Ort an den anderen schaffen. Abends zogen wir uns was an, aßen Köfte und spazierten ein bisschen rum. Das Essen war sehr gut, Wein gab es aber nicht. Ich glaube wir tranken Tee und waren früh fertig, wie das eben so ist. Wir liefen hinter den Stadtmauern durch ein paar dunkle Straßen, am Markt vorbei. Von der großen, hellerleuchteten, arabischen, afrikanischen Nacht gab es hier nichts. Aus den dunkelsten Winkeln rief man uns nach. Lag vielleicht an meinem Kamelhaarmantel. Sie sah sowieso sehr Marokkanisch aus […]