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BYND

Konstantin Arnold

ARCHIPEL

Wir schlafen auf vier Quadratmetern. An der der Tür sind Sicherheitshinweise und ein ansehnliches Doppelschloss angebracht, obwohl man ohne erwähnenswerte Anstrengung einfach durch unser kaputtes Fenster einsteigen könnte. Der Ventilator ging die ganze Nacht auf Stufe drei. Wir atmen benutzte Luft und schwitzen uns in den Schlaf. Im Hinterhof eines ansehnlichen Restaurants mit Pool, indem sie das Geld reinwaschen, dass über die kolumbianische Grenze einige Flecken bekommen hat. Dekadent ist anders, auch wenn wir uns nach zwölf Stunden auf Booten, in Taxen, Bussen und hinter Golf Mobilen, ein schlafversprechendes Einzelzimmer leisten. Gestern haben wir jede Mahlzeit des Tages in Verkehrskantinen zu uns genommen und die Liebe für frittierte Empanadas im Überfluss verloren. Dreimal mussten wir die Grenze auf und ab laufen, weil uns hier und da ein plakativer Stempel fehlte. Dann ist es spät, irgendwo zwischen Pavones und Dominical. Ich schlage mein kleines schwarzes Buch auf, um mich in den Notizen zu verlieren, die meiner Meinung nach das Sagen haben, wenn es um unsere Zeit in Panama geht. Ich weiß noch, wie verkatert und schlaflos wir in Panama City angekommen sind, nachdem uns eine amerikanische Mätresse am Flughafen abgeliefert hatte, der ich bis heute zentral amerikanische Briefpost versprochen habe. Oder, wie sehr ich mich zu Verallgemeinerungen hinreißen lassen habe, nachdem mir klar geworden ist, dass es kein Land gibt, indem man nach der Jungfernfahrt vom Flughafen nicht schon ein Drittel seines Reisebudgets an Unwissenheit verloren hat. Jordan und ich lieben Jeans und festes Schuhwerk. Nicht nur weil man sich dadurch klar von der Flip Flop tragenden Expeditionsgeneration abzugrenzen scheint, sondern auch, weil wir das modisch für ansehnlicher halten. Jedenfalls bis zu dem Moment, in dem wir den akklimatisierten Fahrerraum unseres Luxustaxis verlassen und beginnen, ohne aufzuhören, in unsere neuseeländischen Hemden zu schwitzen. Ich habe gelernt, dass man junge Frauen nicht Seniora nennt und somit wieder Selbstvertrauen in meinen Zahnlückencharme getankt. Nach unserer Zeit in Kalifornien dauert es einige Tage bis wir uns wieder an kleine Spielplätze gewöhnen können, auch wenn wir das Beste aus dem bescheiden Beschäftigungsprogram herausholen, das panamerikanische Pazifikküste zu bieten hat. Irgendwann erzählt uns ein reisender Südafrikaner im Rollstuhl, dass er vor fünfzehn Jahren in seiner Heimatstadt angeschossen wurde und, dass es auf der Karibikseite unseres Urlaubslands den besseren Rum gibt. Also versprechen wir auch der kolumbianischen Kellnerin, die uns zum Bus fährt, dass wir ihr einen Brief zusammenzimmern, sobald wir auf diesen karibischen Inseln angekommen sind, die die reiseerfahrene Entourage in zwei Lager spaltet. Boccas del Toro, irgendwo zwischen Abiturparty und landschaftlichem Hormonüberschuss! Nach sieben Bussen, von denen bei Dreien davon unsere Wellensportgeräte vom Dach gesegelt sind, können wir die Erfahrungen und Empfehlungen unserer Sitznachbarn nicht mehr hören. Wir vergessen Wellenvorhersagen und fordern unser eigenes Urteil, dass unser Leben in den nächsten Tagen in eine Postkartekulisse verfrachten wird. Wir surfen türkisfarbene Bilderbuchwellen und spülen uns den mehlweißen Sand mit Kokosnusswasser von den Waden. Wir feiern den Dschungelgeburtstag irgendeines Kartellkönigs auf einer einsamen Insel von der wir fast zurückschwimmen müssen und trinken mehr Rum als wir normaler Weise vertragen würden. Wir vergessen vier Tage lang den Namen des gemütlichen Kaliforniers, mit dem wir uns bei Tag die Boote teilen und bei Nacht die Heißhungerrechnung für die Straßenstände, die nach durchzechten Nächten Essen verkaufen, von dem man hofft nicht einen schmerzhaften Verdauungstot zu sterben. Irgendwann haben wir genug von paradiesischer Rastafarikultur und sehen Briefversprechen nicht mehr als charmanten Währungszusatz an, auch wenn es um romantische Einladungen und Wiedersehen […]

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