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BYND

Konstantin Arnold

EUSTRESS

Es geht mir gut. Solange ich meinen Ehrgeiz im Zaun halte. Solange ich nicht über die Zeit nachdenke, die ich unüblicher Weise für akademische Zwischenprüfungen aufzubringen habe. Die Liste der Orte, an denen ich mein Gehirn mit theoretischen Elastizitäten von Getreidepreise vertraut machen konnte, kann sich sehen lassen. Auf der Farm sind gerade einunddreißig Frauen mittleren Alters angekommen. Sie tragen kitschige Cowboyhüte und trinken teuren Sekt mit Sprite. Einige versuchen witzig zu sein und Dinge zu tun, die ihnen das getraute Alltagsleben verbietet. Andere sitzen hart arbeitend vor ihren Smartphones und versuchen das Gruppenfoto mit dem Kussmund über unsere launische Internetverbindung hochzuladen. Eine steht im verkleideten Mittelpunkt und genießt die neidischen Huldigungen ihrer ledigen Freundinnen. Die Norm gibt vor, dass sie an ihrem letzten Tag in Freiheit, die Dinge tut, nach denen sie sich für den Rest ihrer Ehe sehnen wird. Ruhe ist eine Rarität, an dem Ort an dem ich lebe. Auf dem Weg in Toms alten Karavan fangen mich ein paar ihrer Amazonen ab. Sie stinken nach Tonic und würden gerne einen fast vierundzwanzig Jährigen küssen bevor sie ihre Mascara kopfüber in die Toilette halten. Das sagt zumindest ihre unästhetische Körpersprache. Ihr überzogener Dialekt hingegen fragt, ob Jordan und ich für eine Flasche Gin den Stripper ersetzen wollen, der wegen Grippe heute leider im Bett bleiben musste. Tradition ist ohne Alkohol anscheinend nicht zu ertragen. Wir lehnen ab. Nicht, weil wir zweimal leben, sondern weil es vier Uhr nachmittags ist und mich noch sechzehn Stunden von einer Prüfung trennen, die noch darauf wartet, gelernt zu werden. Toms alter Karavan hat keinen Tisch, aber einen alten Kühlschrank, der nur darauf wartet benutzt zu werden. Ich baue das Inventar aus, damit meine Fußballerwaden genügend Platz haben und ich mich über meine fehlenden Aufzeichnungen lehnen kann. Ich finde ein altes Buch von Hemingway und ein paar zurückgelassene Kondome. Eine Stunde halte ich durch, dann stelle ich mein Leben in Frage. Es geht mir nicht gut. Weil ich heute keinen Surf hatte und keinen meiner zweiundzwanzig Lebensläufe an den Mann bringen konnte, die ich aus ambitionierter Sicherheit mit mir herumtrage. Wann habe ich mir eigentlich das letzte Mal in aller Herrgotts Ruhe die Schuhe gebunden? Wann habe ich den Schnürsenkel aus Zarautz, der meine vier Dollar Jeans daran hindert gen Boden zu wandern, das letzte Mal aufgeknotet, bevor ich ihn in aller Enge über meine junge Hüfte gestreift habe? Eigentlich übe ich mich gerade in Gelassenheit. Raglan kann helfen! Jordan auch! Jedenfalls hat der noch vierzig Dollar auf seinem Bankkonto, die es ihm erlauben, den Moment zu leben. Ich lebe die Zukunft und meine eigene Erwartungshaltung. Ich sehe mich im eigenen Schaufenster und würde jetzt viel lieber Schreiben. Doch über […]

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