POMMADE
Schon wieder eine Unterhose in irgendeinem Hotelzimmer vergessen. Langsam wird’s eng! Zumindest, wenn Socken und Schlüpfer die einzigen Dinge im Leben sind, die man nicht gebraucht tragen möchte und man schließlich mehr Tage unterwegs ist, als es Wäsche zum Wechseln gibt. Aber deswegen direkt anrufen und freundlich fragen, ob sie meine getragene Markenunterwäsche per Post verschicken könnten? Am besten per Eilschreiben, aber nicht versichert. Ich trage eben nur Levis und man gönnt sich doch sonst nichts. Nichts bis auf späte Weckzeiten und einen gemütlichen Bademantel. Mit Unterwäsche ist es eben wie mit der Kunst. Überbewertet oder Unterbewertet? Gut, schlecht oder die eigene Empfindung? Fakt ist, Geld gibt der Sache wieder ihren Gegenwert und macht jeden alkoholkranken Provinzmaler mit schwerer Kindheit plötzlich zum gefeierten Picasso in Marken-Slips. Viele Frauen, schnelles Leben, wenig Inhalt. Obwohl ich in meinem Doppelzimmer mit Ausblick gerade selbst daran scheitere, Tinder für den Computer herunterzuladen, bin ich eigentlich zu kräftig gebaut, um wirklich kreativ zu sein. Zu organisiert für Verspätung und vergessene Unterwäsche. Ich nehme keine bewusstseinserweiternden Kommahilfen, um die richtigen Metaphern zu treffen und habe auch keine unterdrückten Probleme, die ich in irgendeiner Form gerne aufarbeiten würde. In falscher Konfektionsgröße sehe ich aus wie ein Fitnessstudio und achte nach durchzechten Nächten gerne auf meine Ernährung. Nicht so wie meine vorletzte Gastgeberin, die mir frisch geduscht ein Designermüsli servierte, das geschmeckt hat wie der intellektuelle Ernährungsratgeber irgendeines Modemagazins. Einfach Zwangloser. So wie Dylan Rieder, durch den ich vor dem Spiegel immer wieder überlegen muss mein T-Shirt endlich einmal in die Hose zu stecken. Immerhin habe ich seit 31 Stunden meine Schuhe an und heute Nacht im Backstagebereich nichts anderes getan, als den Musikern mit fremden Frauen den Wodka wegzutrinken. Unglaublich, dass ich jetzt wirklich hier stehe, um eine der Damen völlig schlaflos bei ihrem all sonntäglichen Kirchgang zu begleiten. Zwar bin ich für das Weihnachtsoratorium jedes Jahr einmal da; In großen Hallen, strotzend vor Tradition und dem Gefühl von Unendlichkeit, aber nicht im Konferenzsaal einer freikirchlichen Manipulationsgemeinde. Natürlich bin ich hin und wieder eingenickt, obwohl man schlecht schlafen kann, wenn Finsternis, Verdammnis und Perspektive Ewigkeit das Thema der heutigen Predigt sind. Persönlich begrüßt wurde ich auch. Als neues Schäfchen und Teil der Herde. Was tut man nicht alles für eine Pfarrerstochter, die mir nach der Erleuchtung nicht einmal […]