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BYND

Konstantin Arnold

ANGEBER

ANGEBER

Es regnete und wir paddelten auf einen dunklen See, um Zitate der Freiheit in die Schwedische Stille zu brüllen. Heiß vom Schnaps und von der Sauna. Bis das Boot kenterte und alle lachten. Am Ufer guckten schon die Schafe. Eins war dafür extra bis auf den Steg gekommen. Es blökte, guckte sich den beleuchteten Whirlpool an, blökte, kostete von brodelnden 38 Grad, schaute, blökte, rannte lieber wieder weg. Wir tranken viel Schnaps in diesen Tagen und eine Flasche Champagner, den ich einfach so aus der Minibar nahm. Sie kostete später 3400 Schwedische Kronen. Was auch immer das in Euro war. Zur Beruhigung trugen wir Bademäntel und aßen Pilze, die wir im Wald fanden und über einem Feuer kochten. Ich zeigte ihr, welche man essen kann und an welchen man krepiert. Es war meditierend. Im See fingen wir Krebse. Am ersten Tag unserer Reise backten wir gemeinsam 200 Zimtschnecken. Ganz ohne Tagesklinik und ohne das Töpfern. Sie stärkten uns und saugten den Alkohol auf, wenn wir über lange, schwedische Straßen noch nach Hause fahren mussten. Wir nahmen unsere Zimtschnecken überall hin mit. Am Tag unserer Abreise hatten wir noch 187. In jenen Tagen wohnten wir in einem teuren Hotel im Nichts, ganz oben im Unaussprechlichen. Es war eine einfache dunkle Stadt, nur ein paar Straßen groß, Mitten im August. Vor dem Hotel feierte man gerade ein Fest und wir fragten, für was? und man sagte uns, na für die Bauern! Es gab eine große Parade, die nur groß war, weil alles andere klein war und mobile Imbissbuden, an denen der Döner acht Euro kostete. An einigen Ständen konnte man T-Shirts kaufen, auf denen stand: „Fuck you, I drive a Volvo“. Die Leute des Hotels wollten von all dem nichts wissen. Sie saßen im Bistro und aßen ihr Tatar, ihren Kaviar und ihre Austern. Auch ein paar Großstadtchinesen waren unter ihnen. Sie saßen in roten Flip-Flops an der Bar und bestellten Wein für 15.000 Euro. Ihre Frauen saßen an einem Tisch und sprachen über Bäume. Manche von ihnen hatte vorher noch nie so Wald gesehen, erzählte uns der Hoteldirektor. Dabei lächelte er professionell in sich rein, lachen sahen wir ihn nie. Er war der Typ, dem Flecken etwas ausmachen. In der Zeit im Hotel aßen wir viele Dinge, von denen wir beim Kauen nicht wussten, ob es Fleisch oder Fisch oder Gemüse war. Das einzige, was ich mit Sicherheit identifizieren konnte, war Brot. Es war heiß und gut und nie alle. Die Kellner trugen Anzüge und erzählten viel vom Wein. Manchmal fragte ich, was wir aßen und alle lachten oder wir wollten mehr Wein und mussten auf den Kellner warten, der dann wieder was vom Wein erzählen wollte. Die Stimmung war […]

TABU

TABU

Mir bleiben zwei Nächte im fünften Stock einer großen Wohnung am Mercado de Arroios. Es gibt noch kein warmes Wasser, aber kaltes, das zumindest nicht mehr nach Schwimmbad schmeckt. Einen schicken WLAN Router, nur noch keine Kaffeetasse, die alles gut werden lässt und auch noch kein schweres Whiskeyglas. Noch keinen Kühlschrank, aber unbenutzte Weingläser und eine Flasche russischen Wodka. Die Haustür lässt sich mit einem Autoschlüssel öffnen und von der Matratze auf dem Fußboden, kannst du ohne Glühbirnen bis nach Graca gucken. Ich habe ein großes Schneidebrettchen gekauft, obwohl ich eigentlich nur essen gehe. Ich habe nach gutem Geschirr geschaut, obwohl ich in meiner Freizeit lieber nach besseren Wörtern suche. Ich habe einen einstigen Albtraum wahr gemacht und Dinge gekauft, die mich am Boden halten. Waschmaschine, Klobürste und Esstisch. Am Boden einer großen Wohnung mit kleinem Balkon über den Dächern einer Stadt, in der du nachts nur schwer von einem noch besseren Leben träumen könntest. Morgens weckt dich ein Augenblick, für den andere vor Sonnenaufgang extra auf einen Berg klettern. Für den du nichts, als aufwachen brauchst. Und abends hupen dich die Portugiesen in den Schlaf. Fast zu schön schien diese Vorstellung, mal mit solch einem Balkon zu wohnen, den ich jetzt, dank hoher Miete, betreten darf. Fantasie mit Realität bezahle. Immer in den fünften Stock laufe und erkenne, wie verdammt heiß es im Dachgeschoss wirklich ist. Fantasy Love, denn es kommt schließlich nicht auf den Kater an, sondern wo man mit ihm aufwacht! Lebt, wo andere Urlaub machen. Wegfliegt, wo andere zuhause bleiben und richtig liegt, wo andere falsch liegen. Dank ziemlich teurer Matratze. Ich habe einfach alles vermisst. Den Verkehr, die vollgepackten U-Bahnen, den Schweiß, der dir die Stirn herunter rinnt, weil du im November endlich eine Wollmütze tragen möchtest. Die schmuck gekleideten Frauen, die zierlichen Fassaden. Den Klang der Stöckelschuhe, die in eiligem Tempo über glattpoliertes Kopfsteinpflaster geschliffen werden, das voller Laub und besetzten Bänken ist. Sogar den Fado! In Melodien gefasste Minderwertigkeitskomplexe eines stolzen Seefahrerstaates und sein vom Erdbeben gedemütigter Hochglanz. Lissabon ist ungestillte Sehnsucht, die man leben kann, ohne sie träumen zu müssen. Ein Film, in dem man unbedingt mitspielen möchte, auch wenn man als Statist nur im Hintergrund kleinen Kaffee trinkt. Aber ein Teil davon ist, von dem man keine Sekunde verpassen darf, weil es sich wie jugendliche Verschwendung anfühlt, auch nur einen Tag ohne dieses Treiben verbringen zu müssen. Nur vor die Tür, einatmen und Luft unter glühende Kohlen pusten. Diese Verve, die dich von einer Brücke immer wieder in ihre Stadt zieht, um dich mit deiner eigenen Wahrhaftigkeit bekannt zu machen. Lissabon ist eine Stunde früher, wenn in Deutschland am Morgen der Wecker zur Arbeit klingelt, wenn du zu spät bist, wenn du am Abend eigentlich ins Bett solltest, ist in dieser Stadt immer noch Zeit. Zeit, um vom Flughafen aus noch das Examen zu schaffen. Ich musste dich verlassen! Für einige Tage, die für eine ganze Ewigkeit sprechen können. Für Städte, die sich gegen dich […]